Wahlkampf in Berlin: SPD setzt auf Oldtimer

Franziska Giffey ist im Wahlkampfmodus. Sollte es am 12. Fabruar zur Wahlwiederholung kommen, ist auch Rot-Schwarz-Gelb nicht ausgeschlossen.

Giffey und ein Oldtimer

Franziska Giffey bei der Premiere von „Babylon Berlin“ im Delphi Filmpalast Foto: Jens Kalaene

BERLIN taz | Geht es jetzt schon wieder los mit den Plagiaten? Auf Facebook postete Franziska Giffey vergangene Woche ein Banner mit einem Zitat. „Berlin liefert“, heißt es da. Die Entscheidung, die Mieten in den landeseigenen Wohnungen 2023 nicht zu erhöhen, „kommt zahlreichen Berlinerinnen und Berlinern entgegen und wirkt sofort“. Unterzeichnet: „Franziska Giffey. Die Regierende Bürgermeisterin von Berlin“.

Tatsächlich war der Mietenstopp bei den sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, den der rot-grün-rote Senat beschlossen hatte, eine Forderung der Grünen gewesen. Auch die Linken hatten sich ihr angeschlossen, bis sie schließlich von Bausenator Andreas Geisel (SPD) übernommen wurde.

Dass Giffey sich nun damit brüstet, zeigt: Es gibt in Berlin nicht nur hitzige Debatten um kulturelle Aneignung. Wenn das Landesverfassungsgericht am 16. November bekannt gibt, dass es am 12. Februar zu einer Wahlwiederholung kommt, wird es im Wahlkampf auch mehr dieser „politischen Aneignungen“ geben.

Dass sich Franziska Giffey bereits im Wahlkampfmodus befindet, zeigte sich auch nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, wieder Autos in der Friedrichstraße zuzulassen. Noch in der Senatspressekonferenz setzte Giffey den Grünen die Pistole an den Kopf. „Es ist jetzt ein Urteil gefallen, und ich erwarte, dass dieses Urteil zügig umgesetzt wird.“

Grüne liegen vor der SPD

Im Gegenzug konterte die grüne Verkehrssenatorin Bettina Jarasch am selben Tag in der Abendschau des RBB: „Ich bin nicht sicher, ob Franziska Giffey genau verstanden hat, worum’s bei diesem Urteil ging.“ Die Friedrichstraße, so Jarasch weiter, werde zu einer Fußgängerzone.

Der Ton für den möglichen Wahlkampf ist damit gesetzt. Neben den Themen Energie und Versorgungssicherheit wird die Verkehrswende eine zentrale Rolle spielen. Und wie schon 2021 werden sich vor allem Franziska Giffey und ihre Herausforderin Bettina Jarasch beharken. Die Rangelei um die Friedrichstraße war da womöglich nur der Auftakt für einen Wahlkampf, in dem es so wenig diplomatisch zugehen könnte wie seit Langem nicht mehr.

Die Ausgangslage scheint seit Wochen stabil, zumindest wenn man den Umfragen folgt. Ende September kamen in einer Befragung von Infratest dimap die Grünen auf 22 Prozent, gefolgt von der CDU mit 21 Prozent. Giffeys SPD landete mit 17 Prozent auf dem dritten Platz. Zwei Monate zuvor waren die Grünen bei 21 Prozent, SPD und CDU lagen mit 20 Prozent gleichauf.

Nicht nur Bettina Jarasch hat demnach Chancen, als Nachfolgerin von Franziska Giffey ins Rote Rathaus einzuziehen, sondern ebenso CDU-Chef Kai Wegner, auch wenn der am Wochenende zunächst Gerüchte abwehren musste, dass Teile der CDU Jens Spahn für den besseren Kandidaten hielten.

Trotz des offenen Ausgangs gibt sich Giffey siegessicher. „Ich setze darauf, dass ich die Arbeit, die ich begonnen habe, weitermachen kann“, sagte sie jüngst in einem ausführlichen Interview in der B.Z. Tatsächlich aber sind nicht nur die Umfragewerte der SPD schlecht, sondern auch die persönlichen Werte der Regierenden Bürgermeisterin. Nur noch 31 Prozent der Befragten waren im September mit der Arbeit von Franziska Giffey zufrieden. Ein halbes Jahr zuvor hatte der Wert noch bei 39 Prozent gelegen.

Und auch in der Partei, die Giffey zusammen mit Fraktionschef Raed Saleh führt, rumort es. Bei ihrer Wiederwahl auf einem Landesparteitag im Juni hatte die Regierende nur 59 Prozent der Delegiertenstimmen bekommen. Bei ihrer Kür als Landesvorsitzende im November 2020 waren es noch 89 Prozent gewesen. Giffeys Siegessicherheit steht zumindest auf wackligen Beinen.

Auch deshalb trauen ihr die eigenen Genossen alles zu. Sollte die SPD im Februar hinter den Grünen, aber vor der CDU liegen, könnte Giffey, um an der Macht zu bleiben, auch ein Bündnis mit CDU und FDP in Erwägung ziehen. „Wir müssen das Ergebnis etwaiger Wiederholungswahlen abwarten und dann damit umgehen“, sagte Giffey dazu im B.Z.-Interview. „Ich kann mich deshalb nicht festlegen.“

Ob die Parteibasis das mit sich machen ließe? „Das schlechte Ergebnis beim Parteitag war ein letztes Aufbäumen“, sagt ein Delegierter. „Inzwischen ist die Partei tot.“ Horcht man sich im Berliner Landesverband der SPD um, ist die Lust vieler Genossinnen und Genossen, erneut in den Wahlkampf zu ziehen, tatsächlich überschaubar. Erst recht, wenn am Ende eine rot-schwarz-gelbe Koalition stehen könnte.

Wird Giffey Senatorin?

Doch viele Regierungsoptionen hat die SPD nicht. Käme es nach dem Februar zu einer Fortsetzung der Koalition mit Grünen und Linkspartei, ist nicht ausgeschlossen, dass die SPD als Juniorpartnerin am Senats­tisch Platz nehmen müsste. Wäre das vorstellbar? Franziska Giffey als Senatorin?

Kommt auf das Ergebnis an, sagt eine Genossin. Scheiterte die SPD krachend, wäre Giffey wohl weg. Fraktionschef und Co-Vorsitzender Saleh könnte sich dann als Retter präsentieren. Bereits am Wochenende hat er, ganz Populist, 200 Millionen für das Berliner Entlastungspaket gefordert statt der zunächst verabredeten 100 Millionen.

Fällt das Ergebnis dagegen knapp aus, könnte Giffey politisch überleben, zur Not auch als Senatorin unter einer Regierenden Bürgermeisterin Bettina Jarasch. Eine andere Möglichkeit habe sie auch nicht, heißt es.

Und dann gibt es ja noch die Möglichkeit, den Spieß umzudrehen. So wie die Grünen davor warnen könnten, dass die SPD gemeinsame Sache mit CDU und FDP machen könnte, könnte die SPD einen Antiwahlkampf gegen Grün-Schwarz führen. „Die Grünen ständen dann vor dem Dilemma, das entweder auszuschließen oder immer wieder damit in Verbindung gebracht zu werden“, sagt ein Genosse.

Die SPD und ihre Spitzenkandidatin mit den richtigen Themen ins rechte Licht zu setzen, wird die Aufgabe von Sven Heinemann werden. Aufgewachsen im Schwarzwald, hat der 43-Jährige eine steile Parteikarriere hingelegt. Im September 2021 zog er ins Abgeordnetenhaus ein, seit Januar ist er Landesgeschäftsführer der Berliner SPD. Über den Wahlkampf will man im Kurt-Schumacher-Haus dennoch nichts preisgeben. Auch zur Frage nach den Kosten will sich die Partei erst nach dem endgültigen Urteil des Landesverfassungsgerichts am 16. November äußern. Ein Sprecher sagte lediglich: „Für einen Wahlkampf ist die SPD Berlin gut gerüstet – inhaltlich, organisatorisch und auch finanziell.“

Fest steht allerdings, dass der Plakatwahlkampf erst im Januar beginnen soll. Bis dahin, so Giffey, gebe es einen „Weihnachtsfrieden“. Von einem „Adventsfrieden“ aber hat sie nicht gesprochen. Gut möglich, dass es bald also wieder losgeht. Noch sind Bettina Jarasch und Franziska Giffey in den Herbstferien. Von dort grüßte die Regierende Bürgermeisterin am Samstag von der Ostsee. Bei einer Wassertemperatur von 13 Grad stand sie bis zu den Knöcheln im Wasser.

Oberwasser ist das noch nicht.

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