Landesparteitag in Berlin: Die SPD brüskiert ihre Führung

Die Delegierten bestätigen Giffey und Saleh, aber keiner der beiden bekommt auch nur 60 Prozent. Dabei gab es keine Kontroversen auf dem Parteitag.

Franziska Giffey am Rednerinnenpult beim Parteitag

Bleibt Berlins Regierungs- und SPD-Landeschefin: Franziska Giffey Foto: dpa

BERLIN taz | In Berlins SPD haben inzwischen die Frauen das Wort, das betont Franziska Giffey gerne auf diesem Landesparteitag am Sonntag. Erstmals wird Berlin von einer Regierenden Bürgermeisterin geführt, drei der fünf SPD-Mitglieder im Senat sind weiblich inklusive der Innensenatorin.

Da passt ins Bild, dass – anders, als es die Tradition vielleicht gebieten würde – Giffey ihrem Co-Parteichef den politischen Heiratsantrag macht und nicht umgekehrt. „Wir haben uns gefunden“, sagt Giffey mit Blick auf Raed Saleh und die Delegierten im Saal des Estrel-Hotels bei ihrer Bewerbungsrede. Und fügt hinzu: „Die Zuversicht, mit der du das machst, die finde ich großartig.“ Mehr Worte sind da fast überflüssig.

Seit zwei Jahren führen Giffey und Saleh, der auch SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus ist, die Partei. An diesem Sonntag stellen sie sich erstmals der Wiederwahl. Ihre Botschaft ist klar: Geschlossenheit. Wenn alle – Partei, SPD-Fraktion, Senat, gere auch die SPD-regierten Bezirke und natürlich die beiden Vorsitzenden – zusammenarbeiten, dann sei die SPD stark. Ihr Beleg dafür: wie die beiden die Partei aus dem Umfragetief geholt und im September 2021 erneut ins Rote Rathaus geführt haben; und wie sie nun in der rot-grün-roten Koalition „SPD aus einem Guss“ umsetzen würden, erklärt Giffey.

Giffey holte 2020 noch fast 90 Prozent

Diese Botschaft reicht nicht aus für ein starkes Ergebnis. Ganz im Gegenteil: Obwohl es keine Ge­gen­kan­di­da­t*in­nen gibt, obwohl es bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei inhaltliche Auseinandersetzung gibt, stimmen lediglich 58,9 Prozent der 268 Delegierten für Giffey. Saleh erreicht mit 57,4 Prozent ein ähnlich schlechtes Ergebnis. Beide hatten im Vorfeld mit mehr Zustimmung gerechnet. 2020 hatte Giffey noch fast 90 Prozent geholt, damals als Spitzenkandidatin. Immerhin gelang es den beiden Parteichef*innen, den von ihnen ausgesuchten Kreis aus stellvertretenden Parteivorsitzenden durch zu bekommen.

In ihren Reden bleiben Giffey und Saleh meist abstrakt, auch Attacken auf politische Geg­ne­r*in­nen und Mit­strei­te­r*in­nen in der Koalition fehlen weitgehend. „Ich will keine weitere Gentrifizierungswelle, verdammt noch mal“, sagt Saleh. „Wir wollen, dass die Menschen würdevoll leben können mit dem Geld, das sie haben.“ Die SPD-Politik habe dazu beigetragen, die Menschen zu entlasten, etwa durch gebührenfreie Bildung.

Erstaunlicherweise gehen weder Giffey noch Saleh näher auf das Wohnungsbündnis des Senats mit den großen Immobilienfirmen ein, das an diesem Montag unterschrieben werden soll und ein Prestigeprojekt der Regierenden Bürgermeisterin ist. Dafür kündigt Giffey an, die Vorherrschaft der Grünen in den Innenstadtbezirken angreifen zu wollen. Mit welchen Inhalten, sagt sie nicht – aber die Partei hat dafür eine Kommission gegründet.

Ansonsten setzt Giffey auf die Strahlkraft der Stadt und Optimismus: „Wir leben in der tollsten Stadt der Welt, es ist eine Ehre, dass wir als SPD hier Politik machen können“, sagt sie. Und auch wenn Berlin vor einer schwierigen Situation stehe mit der Klimakrise, steigenden Energiekosten, der Integration von Geflüchten und vielleicht einem erneuten Pandemiewinter, nütze es nichts, verzagt zu sein. „Wir sollten es schaffen, miteinander zu lachen und mit Zuversicht auf das zu blicken, was wir gemeinsam anpacken wollen.“

Raed Saleh, SPD

„Ich will keine weitere Gentri­fi­zie­rungs­welle“

An den Bund appelliert sie, die Länder beim Kampf gegen steigende Mieten zu unterstützen, indem das von einem Gericht kassierte kommunale Vorkaufsrecht wieder eingeführt wird. Bundesbauministerin Klara Geywitz als Gastrednerin kann da freilich wenig Hoffnung machen. Einen möglichen Mietendeckel erwähnt sie gar nicht erst; vielmehr sollten Gesetzeslücken beim Mietrecht geschlossen werden, etwa wenn es um Ausnahmen für möblierte Wohnungen geht. Und natürlich seien 400.000 neue Wohnungen pro Jahr bundesweit weiter ihr Ziel – ob das erreichbar sei, darauf geht Geywitz nicht ein.

Allerdings ist das unwahrscheinlich, nicht nur weil die Brandenburgerin gegen Wirtschafts- und Finanzminister kämpfen muss, damit jene mit Blick auf die Schuldenbremse die Neubauförderungen nicht zusammenstreichen; das erwünschte Vorkaufsrecht kommt frühestens nach der Sommerpause ins Kabinett, heißt es am Rande des Parteitags. Das trübt zugleich die Aussichten für die Berliner Mietenpolitik.

Übrigens ist auch die Frauenquote der SPD gar nicht so berauschend – darauf weist eine Rednerin nach dem Auftritt von Giffey und Saleh hin: Vier von fünf SPD-Bezirksbürgermeister*innen sind Männer, auch die Quote bei den So­zi­al­de­mo­kra­t*in­nen in Bezirksparlamenten und dem Abgeordnetenhaus sei noch längst nicht paritätisch. Immerhin nimmt der Parteitag Anträge an, wonach künftig auch eine rein weibliche Doppelspitze möglich wäre. Bisher musste immer ein Mann dabei sein.

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