Sigrid Nunez' Debütroman neu übersetzt: Fäden, die kaum zusammenpassen

In „Eine Feder auf dem Atem Gottes“ erzählt Sigrid Nunez vom chinesisch-panamesischen Vater und der in Nazideutschland aufgewachsenen Mutter.

Sigrid Nunez im Porträt

Die Autorin Sigrid Nunez Foto: Marion Ettlinger/Aufbau

Nach dem Erfolg ihres Trauer- und Hunderomans „Der Freund“ wurde nun auch das Debüt der Schriftstellerin Sigrid Nunez, das in den USA bereits 1995 erschienen ist, ins Deutsche übersetzt – zum Glück, darf man sagen.

„Eine Feder auf dem Atem Gottes“ enthält vier vollkommen unterschiedliche Teile. Der erste Teil handelt von dem chinesisch-­panamesischen Vater – die Familiengeschichte ist verwickelt –, den es nach New York verschlägt, wo er allerdings gar nicht richtig Englisch lernt und überhaupt nur wenig spricht. Wobei: „Mein Vater war niemand, der nicht sprach, sondern jemand, dem niemand zuhörte“, stellt die Erzählerin fest. Sie auch nicht.

Der zweite Teil handelt von der Mutter. Die wächst in Nazideutschland auf und folgt dem Vater nach seiner G.I.-Zeit als Kriegsbraut nach Brooklyn, wo sie auf Deutsch „Scheiße“ flucht, sehr unglücklich wird, Heimweh hat und einem Rudolf hinterhertrauert, aber auch ein Kind bekommt: eben die Erzählerin.

Magersucht, Klassenunterschiede und Liebhaber

Der dritte Teil handelt vom Ballettunterricht der jugendlichen Erzählerin – aber das ist viel zu wenig gesagt. Er handelt von der Entdeckung und Kasteiung des jungen weiblichen Körpers, vom Entkommen aus dem Elternhaus durch das Ballett, aber auch von Magersucht, der Unterwerfung des Körpers unter das strenge Reglement des Tanzens und von Klassenunterschieden: Die Erzählerin fährt aus dem Sozialbauprojekt in Brooklyn zum Unterricht, andere Mädchen aus den Zimmerfluchten Manhattans.

Der vierte Teil handelt von Vadim, einen ex-sowjetischen Emigranten, dem die Erzählerin Englischunterricht gibt und der ihr Liebhaber wird. Vadim war in der ­Ukraine ein Zuhälter, jetzt ist er Taxifahrer in New York. Er ist groß, direkt, körperlich. Anders als bei ihrem Vater hört die Erzählerin ihm zu – und damit schließt sich ein Kreis.

Es gibt in der Literatur gerade einen Trend dazu, das eigene Leben zu erzählen. Bei ­Sigrid Nunez kann man nachlesen, dass die einzelnen Stränge, die man dabei verfolgt, nicht zusammenpassen müssen. Ein Leben setzt sich, so wie hier, oft aus ganz unterschiedlichen Fäden zusammen.

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