piwik no script img

+++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++Moskau blockiert Abschlusserklärung

Das Thema AKW in Saporischschja sorgt für Spannungen auf der UN-Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag. Russland blockiert die UN-Abschlusserklärung.

„Die Welt steht derzeit vor einer atomaren Gefahr“, UN-Generalsekretär António Guterres Foto: John Minchillo/ap

Streitpunkt AKW Saporischschja bei UN-Konferenz

Russland hat zum Ende einer vierwöchigen UN-Konferenz über Atomwaffen die Verabschiedung einer gemeinsamen Abschlusserklärung blockiert. Trotz einer um mehrere Stunden verschobenen Abschlusssitzung sei „die Konferenz nicht in der Lage, eine Einigung zu erzielen“, erklärte der Vorsitzende der Konferenz zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags, der Argentinier Gustavo Zlauvinen, am Freitag (Ortszeit) am UN-Hauptquartier in New York.

Der Vertreter Russlands, Igor Wischnewetzki, hatte einen Mangel an „Ausgewogenheit“ in dem mehr als 30-seitigen Entwurf der Abschlusserklärung kritisiert. Moskau habe Einwände „gegen bestimmte Absätze, die offenkundig politisch sind“, sagte er. Russland sei nicht das einzige Land sei, das grundsätzliche Einwände gegen den Text habe.

Nach Angaben aus Verhandlungskreisen brachte Russland vor allem Einwände gegen Passagen zum ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja vor, welches von russischen Truppen besetzt ist und in den vergangenen Wochen wiederholt beschossen worden war. Der Beschuss hat Ängste vor einer ähnlichen Nuklearkatastrophe wie 1986 im ukrainischen Tschernobyl geweckt.

Laut dem Entwurf, den die Nachrichtenagentur AFP einsehen konnte, wollte die Konferenz ihre „ernste Besorgnis“ über militärische Aktivitäten an ukrainischen Atomkraftwerken und anderen sicherheitsrelevanten Einrichtungen zum Ausdruck bringen, insbesondere am AKW Saporischschja. Moniert wurde auch, dass die zuständigen ukrainischen Behörden „als Ergebnis dieser militärischen Aktivitäten“ nicht mehr die Kontrolle über diese Einrichtungen hatten, was „tiefgreifende negative Auswirkungen“ auf deren Sicherheit habe.

Die Leiterin der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (Ican), Beatrice Fihn, stellte den Nutzen der Konferenz infrage. „Das wirklich Problematische ist, dass sie mit oder ohne Entwurf derzeit nichts dazu beiträgt, die nukleare Bedrohung zu reduzieren“, sagte sie. Der Entwurf sei „sehr schwach und realitätsfremd“. Es fehlten konkrete Abrüstungsverpflichtungen. Österreich kritisierte in einer Erklärung vor allem die Atommächte Frankreich, Großbritannien, Russland, China und die USA. Die fünf Länder, allen voran Russland, leisteten Widerstand gegen die nukleare Abrüstung, während ein Großteil der Unterzeichnerstaaten für glaubwürdige Fortschritte eingetreten sei.

Anders als im Vertrag festgehalten hätten die Atommächte ihre Arsenale aufgestockt oder perfektioniert, kritisierte Österreich. „Während der Verhandlungen gab es keinen erkennbaren Willen, die bisher nicht erfüllten vertraglichen Verpflichtungen umzusetzen.“

Dem 1970 in Kraft getretenen Atomwaffensperrvertrag, der von den fünf damaligen Atommächten USA, Sowjetunion, China, Frankreich und Großbritannien ins Leben gerufen wurde, gehören mittlerweile 191 Staaten an. Das Abkommen verpflichtet die Unterzeichnerstaaten ohne Atomwaffen zum Verzicht auf diese.

Die Überprüfungskonferenz des Vertrags hatte am 1. August in New York begonnen. UN-Generalsekretär António Guterres hatte zum Auftakt gesagt, die Welt stehe derzeit vor einer atomaren Gefahr, „wie es sie seit dem Höhepunkt des Kalten Krieges nicht mehr gegeben“ habe. Er verwies auf den Krieg in der Ukraine, die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel und im Nahen Osten – und auf die 13.000 Atomwaffen, die weltweit in Arsenalen lagern. Die Menschheit sei „nur eine Fehlkalkulation“ von der nuklearen Vernichtung entfernt, warnte Guterres.

In den Verhandlungen wurden auch andere Themen erörtert, die für manche Staaten äußerst heikel sind, wie etwa das iranische Atomprogramm und die Atomtests Nordkoreas. Auch bei der vorherigen Überprüfungskonferenz im Jahr 2015 hatten die Unterzeichnerstaaten in inhaltlichen Fragen keine Einigung erzielt. (afp)

Stoltenberg: Nato will mehr Präsenz in der Arktis zeigen

Die Nato will künftig angesichts möglicher neuer Bedrohungen durch Russland stärker in der Arktis aktiv werden. „Die Nato muss ihre Präsenz in der Arktis erhöhen“, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg der Welt am Sonntag. Das Verteidigungsbündnis sei „bereits dabei, in Seeaufklärer zu investieren, um ein klares Lagebild erhalten zu können, was im hohen Norden vor sich geht. Aber wir werden unsere Anstrengungen weiter verstärken.“

Russland hat laut Stoltenberg seine Aktivitäten in dem rohstoffreichen Gebiet zuletzt intensiviert. „Wir sehen eine deutliche Verstärkung der militärischen Präsenz Russlands in der Arktis“, sagte der Nato-Chef. Moskau sei „dabei, Stützpunkte aus Sowjetzeiten wieder zu öffnen und neue hochmoderne Waffen wie Hyperschallraketen dort zu stationieren und auszuprobieren“. Auch China interessiere sich zunehmend für die Arktis.

Aus Stoltenbergs Sicht ist die Arktis für die Nato von „großer strategischer Bedeutung“. Die Nordpol-Region sei „die entscheidende Verbindung zwischen Nordamerika und Europa“ und bilde zugleich „die kürzeste Distanz zwischen Nordamerika und Russland“. Hinzu komme, dass die Arktis infolge der Klimaerwärmung und Eisschmelze für die Schifffahrt stetig an Bedeutung gewinne. (afp)

Ukrainischer Botschafter lädt Sachsens Regierungschef aus

Der scheidende ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, hat wegen Äußerungen von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer über den Ukrainekrieg eine Einladung des CDU-Politikers in seine Heimat zurückgezogen. „Mit Ihrer absurden Rhetorik über das Einfrieren des Krieges spielen Sie in Putins Hände und befeuern Russlands Aggression“, schrieb Melnyk Sonntagfrüh im Onlinedienst Twitter. Daher sei seine Einladung an Kretschmer, die Ukraine zu besuchen, „annulliert“.

„Sie sind unerwünscht. Punkt“, fügte der Botschafter hinzu. Melnyk reagierte damit auf Äußerungen des sächsichen Regierungschefs in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ vom Mittwoch. Darin hatte Kretschmer gesagt, es sei wichtig, dafür „einzutreten, dass dieser Krieg eingefroren werden muss, dass wir einen Waffenstillstand brauchen, dass wir Verhandlungen brauchen, um diesen Krieg zu beenden“. Das erlebe er allerdings „in der öffentlichen Debatte sehr wenig“.

Kretschmer verurteilte in der Sendung mit Blick auf den von Kreml-Chef Wladimir Putin befohlenen Einmarsch in die Ukraine „dieses furchtbare Verbrechen“. „Russland darf den Krieg nicht gewinnen, das ist absolut richtig“, betonte der CDU-Politiker. Es dürfe aber bei diesem Krieg „nicht versucht werden, auf dem Schlachtfeld entschieden zu werden, weil das solche schlimmen Folgen haben könnte für uns alle“. Kretschmer hob hervor, die Diplomatie biete die Möglichkeit, miteinander zu reden, auch „wenn man komplett unterschiedliche Meinungen hat, wenn man verfeindet ist“.

Melnyk ist seit Ende 2014 Botschafter in Deutschland und sorgte immer wieder mit scharfer Kritik an deutschen Politikern für Wirbel. So bezeichnete er Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als „beleidigte Leberwurst“, als der deutsche Regierungschef nach der Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier aus der Ukraine zunächst eine eigene Reise nach Kiew abgelehnt hatte. Anfang Juli unterzeichnete der ukrainische Staatschef Wolodimir Selenski ein Dekret zu Melnyks Abberufung aus Berlin. Er soll im Oktober die Geschäfte an seinen Nachfolger übergeben. (afp)

Baerbock sichert Ukraine notfalls jahrelange Unterstützung zu

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat der Ukraine notfalls jahrelange Unterstützung im Krieg gegen Russland zugesichert. „Wir müssen leider davon ausgehen, dass die Ukraine auch im nächsten Sommer noch neue schwere Waffen von ihren Freunden braucht“, sagte Baerbock der Bild am Sonntag. „Die Ukraine verteidigt auch unsere Freiheit, unsere Friedensordnung. Und wir unterstützen sie finanziell und militärisch – und zwar so lange es nötig ist. Punkt.“ Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine dauert inzwischen seit mehr als einem halben Jahr an.

Baerbock äußerte die Erwartung, dass der Krieg „noch Jahre dauern könnte“. Russlands Präsident Wladimir Putin habe eine „Wahnvorstellung“ gehabt, die Ukraine binnen kürzester Zeit einzunehmen. Dieses Vorhaben sei aber nicht aufgegangen. Die Außenministerin verteidigte auch den Anspruch der Ukraine auf die von Russland annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim. „Auch die Krim gehört zur Ukraine. Die völkerrechtswidrige Annexion von 2014 hat die Welt nie anerkannt.“

Die Außenministerin warnte davor, angesichts der monatelangen Kämpfe eine Kriegsmüdigkeit in Deutschland herbeizureden. „Klar spüren inzwischen alle die Folgen von Putins Energiekrieg am eigenen Geldbeutel. Die soziale Spaltung Europas gehört zur Kriegsführung Putins. Dies müssen wir verhindern. Das wird ein steiniger Weg, aber es gehört zur politischen Verantwortung, die sozialen Schieflagen in Folge hoher Energiepreise abzufedern.“ Forderungen wie von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP), die Ostseepipeline Nord Stream 2 für Gaslieferungen zu nutzen, wies sie zurück. (dpa/rtr)

US-Computerfirma Dell stellt Betrieb in Russland ein

Die bisher vor allem im Servergeschäft in Russland tätige US-Computerfirma Dell hat ihren Betrieb dort vollständig eingestellt. Nachdem im Februar bereits die Verkäufe und der Support von Produkten in Russland gestoppt worden waren, seien nun sämtliche Niederlassungen geschlossen worden, teilt das Unternehmen mit. Vor der offiziellen Ankündigung des Konzerns war bereits in Medien darüber berichtet worden. Das russische Industrieministerium erklärte daraufhin, die meisten Dell-Ingenieure hätten bereits Job-Angebote von russischen Unternehmen bekommen. (rtr)

London liefert Ukraine sechs Unterwasserdrohnen

Großbritannien liefert der Ukraine zur Entschärfung russischer Seeminen vor ihrer Küste sechs Unterwasserdrohnen. Die Geräte seien „leicht und autonom“ und für den Einsatz in flachem Gewässer ausgelegt, erklärte das britische Verteidigungsministerium am Samstag. Die Drohnen könnten Minen aufspüren, orten und identifizieren, damit die ukrainische Marine sie „neutralisieren“ könne.

Dutzende Mitglieder der ukrainischen Marine sollen dem Ministerium zufolge in den kommenden Monaten im Umgang mit den Unterwasserdrohnen ausgebildet werden. Die Ausbildung der ersten Marinesoldaten habe bereits begonnen. Großbritannien ist seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar ein wichtiger Unterstützer Kiews. London lieferte unter anderem Waffen, finanzielle Hilfe und Unterstützung bei der Ausbildung der ukrainischen Armee. (afp)

Putin ermöglicht Ukrainern Arbeit und Aufenthalt in Russland

Inhaber ukrainischer Pässe, die seit der russischen Offensive in der Ukraine nach Russland gekommen sind, können künftig unbegrenzt dort leben und arbeiten. Der russische Präsident Wladimir Putin unterzeichnete ein entsprechendes Dekret, das für die Bewohner der prorussischen Separatistengebiete Donezk und Luhansk sowie für alle Inhaber eines ukrainischen Passes gilt.

Laut dem am Samstag veröffentlichten „vorläufigen Erlass“ müssen die Bewerber künftig lediglich ihre Fingerabdrücke abgeben und sich fotografieren lassen sowie sich einem Drogentest und einer Untersuchung auf ansteckende Krankheiten unterziehen. Ukrainische Staatsbürger dürfen demnach künftig nur noch nach einem Gefängnisaufenthalt ausgewiesen werden oder wenn sie als Gefahr für die nationale Sicherheit gelten. In einem weiteren Erlass sprach Putin allen bedürftigen Menschen wie Rentnern, Behinderten oder Schwangeren Sozialhilfe zu, wenn sie wegen der Offensive die Ukraine oder die von Moskau als unabhängig anerkannten Separatistengebiete verlassen haben. (afp)

Kasachstan kündigt Waffenstopp an

Russlands Verbündeter Kasachstan kündigt einen vorübergehenden Stopp sämtlicher Waffenexporte an. Kasachstan werde ein Jahr lang keine Rüstungsgüter ins Ausland liefern, teilt die Regierung mit, ohne eine Begründung dieses Schritts zu nennen. Zum Umfang bisheriger Rüstungsexporte äußert sie sich ebenfalls nicht. Die an Russland grenzende Ex-Sowjetrepublik produziert zahlreiche Militärgüter wie Panzerfahrzeuge, Waffen und Munition. Kasachstan unterhält Wirtschaftsbeziehungen auch zur Ukraine und hat bisher vermieden, in dem Konflikt Partei zu ergreifen. (rtr)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • "Laut dem am Samstag veröffentlichten „vorläufigen Erlass“ müssen die Bewerber künftig lediglich ihre Fingerabdrücke abgeben und sich fotografieren lassen sowie sich einem Drogentest und einer Untersuchung auf ansteckende Krankheiten unterziehen."

    Männer, die aus Mariupol usw ins besetzte Donbass geflohen sind und sich bei den Behörden haben registrieren lassen (um russische Pässe zu bekommen, oder auch nur Sozialleistungen), kriegen zur Zeit Besuch vom Rekrutierungsamt, mit der nachdrücklichen Aufforderung, sich "freiwillig" zum Kriegseinsatz zu melden.

    Wenn man Bilder der ältlichen, pummeligen "Zivilisten in Uniform" sieht, aus denen das großangekündigte brandneue Dritte Armeekorps besteht, dann versteht man, warum: twitter.com/tom_bu...563469689874894849



    Und für diesen "Volkssturm" werden jetzt die schicken neuen Panzer und Gewehre der russischen Territorialverteidigung geplündert, damit das 3AK wenigstens auf dem Papier wie eine kampfkräftige Einheit aussieht.

    Wenn Russland den Krieg und das Regime hinter sich hat, wird es nur noch eine ausgehöhlte Schale sein. Wir können von Glück reden, wenn Beijing dann nicht die Gelegenheit nutzt, um den "Ungleichen Vertrag" von Aigun zu "revidieren". Es ist zwar nicht offizielle Regierungspolitik, aber im Nordosten sehen viele Chines*innen die Äußere Mandschurei immer noch als "Verlorenes Land", das eigentlich zu China gehört.