Gendergerechte Sprache in Anträgen: Guten Tag Divers Max Mustermann

Schleswig-Holstein bietet viele behördliche Anträge online. Die Auswahl im Feld „Anrede“ varriiert dabei. Im Extremfall führt dies zu Peinlichkeiten.

Eine Fahrraddemo mit einem Plakat im Vordergrund: Mann, Frau, Mensch - Mensch ist angekreuzt

Guten Tag Mensch Max Mustermann, sind Sie vorbestraft? Schon besser… Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Wer in Schleswig-Holstein eine Reisegewerbekarte beantragen möchte, um etwa mit der eigenen Würstchenbude über die Dörfer zu ziehen, kann das ganz bequem online machen. Das ist vorbildlich, spätestens bis Ende des Jahres müssen Bund und Länder laut Onlinezugangsgesetz ihre Verwaltungsleistungen ohnehin elektronisch anbieten.

Aber wer sich dem Geschlecht „divers“ zugehörig fühlt – und zu Beginn die Anrede „Divers“ auswählt – sieht sich auf Seite sieben des Formulars schrägen Fragen ausgesetzt: „Ist Divers Max Mustermann vorbestraft? Ist ein Bußgeldverfahren […] gegen Divers Max Mustermann anhängig?“

Dabei sind gleich mehrere Dinge auffällig. Wieso ist hier überhaupt eine Anrede notwendig? Selbst ein herkömmliches – und für manche Menschen schlicht falsches – „Herr“ oder „Frau“ käme in diesen Fragen eher gestelzt daher. Es würde auch der Name reichen.

Außerdem: Wieso ist „Divers“ eine Auswahl in der Kategorie Anrede? Divers ist eine Bezeichnung für das Geschlecht eines Menschen, welches in diesem Antrag sinnigerweise nicht abgefragt wird. Vielmehr müsste mensch hier frei Schnauze wählen dürfen zwischen „Eure königliche Hoheit“, „Moin“ oder eben „Frau“ und „Herr“.

Wieso bemerkt niemand den Fehler?

Doch zurück zum Ernsthaften: Wie kann es passieren, dass beim Ändern eines solchen Antrags – vielleicht nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2017 – niemand am Ende darüber stolpert, dass die Formulierung spätestens hier absolut keinen Sinn mehr ergibt? Vor fünf Jahren urteilte das Gericht, dass es in Deutschland eine dritte Option bei der Angabe des Geschlechts geben muss. Seither gab es Urteile, nach denen diese Entscheidung auch Auswirkung auf den Umgang im Schriftverkehr mit Kun­d*in­nen hat.

Darüber gestolpert ist Anfang der Woche ­Jessica Kordouni von den Grünen, die kürzlich ihr Mandat im Kieler Rat niedergelegt hat – aus beruflichen Gründen, berichteten die ­Kieler Nachrichten. Sie twitterte den Screenshot der Absurdität, schrieb dazu „Das sollte dringend korrigiert werden.“

Zieht sich das Kuriosum auch durch andere Online-Anträge des Landes? Es ist sogar noch schlimmer: Bei der Sichtung verschiedener Anträge finden sich immer mehr Varianten. Meist ist das Ausfüllen des Feldes „Anrede“ Pflicht. Selten gibt es dann die Möglichkeit, „keine Angabe“ anzuklicken. Oft hat mensch lediglich die Wahl zwischen „Herr“ und „Frau“. So ist es zum Beispiel beim Antrag für einen Parkausweis für An­woh­ne­r*in­nen in Flensburg – im Original als „Bewohnerparken“ betitelt. Auch wer seine Lehrzeit verlängern möchte, muss sich als Mann oder Frau identifizieren.

Manchmal ist die Anrede optional – beispielsweise beim Erstellen eines Kontos für das große Serviceportal Schleswig-Holstein. Das benötigt beispielsweise, wer in den Kommunen Wohngeld online beantragen möchte, in denen das bereits geht.

Dass es keine einheitliche Variante gibt, nicht einmal auf einem Portal, wirft kein gutes Licht auf die Gleichstellungsambitionen des Landes. Und dieser Einzelfall – ist es wirklich einer? – ist dazu noch peinlich.

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Seit 2024 freie Journalistin. Von 2019 bis 2023 erst Volontärin, dann Redakteurin und Chefin vom Dienst bei der taz Nord in Bremen. Hat mal Politik-, Kommunikations- und Medienwissenschaft sowie Komplexes Entscheiden an der Uni Bremen studiert. Schreibt gern über Verkehrs- und Klimapolitik, Sport, Justiz, Parlamentsgeschehen und Soziales.

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