Erinnerung an das Olympia-Attentat 1972: Unter den Teppich gekehrt

Eine Gedenkveranstaltung zu München 1972 reicht nicht. Großzügigkeit und das Eingeständnis von Schuld seitens der Bundesregierung sind überfällig.

Eine Frau steht in einem verwüsteten Raum (Archivbild von 1972)

Ankie Spitzer, die Witwe des israelischen Opfers Andre Spitzer, am Tatort 1972 Foto: picture alliance / dpa

Kann irgendein Geld der Welt das Leid von Hinterbliebenen aufwiegen? Diese Frage zu stellen, heißt, sie zu verneinen. Und doch steht ein finanzieller Ausgleich für den Mord an den Liebsten im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen beim bevorstehenden Gedenken des Olympia-Attentats. Am 5. September jähren sich die Geiselnahme und der Mord der israelischen Athleten in München zum 50. Mal. Und damit jährt sich auch das vollständige Versagen der bayerischen und deutschen Sicherheitsorgane. Denn der dilettantische Befreiungsversuch endete mit dem Tod der elf israelischen Geiseln.

Was ist der Tod dieser Menschen der Bundesrepublik wert? Die Regierung hat 10 Millionen Euro geboten. Tatsächlich ist die Summe wesentlich geringer, denn bereits gezahlte Gelder, von denen nur ein Bruchteil in Israel ankam, sind abzuziehen.

Die Hinterbliebenen pochen auf höhere Summen und verweisen auf internationale Standards bei Terroropfern. Und: Sie misstrauen den Deutschen. Mit gutem Grund.

Es geht bei diesem Jahrestag nicht nur um polizeiliches Versagen. Deutschland hat das Attentat und seine Folgen damals ganz schnell unter den Teppich gekehrt. Es gab keinen einzigen Rücktritt, keinen Untersuchungsausschuss, keine Selbstkritik und auch keine Entschuldigung. Stattdessen verschwanden Ermittlungsakten tief in unzugänglichen Archiven. Die Terroristen kamen schon kurze Zeit später nach einer weiteren Geiselnahme auf freien Fuß. Man hat die Eltern, die Eheleute, die Söhne und Töchter der ermordeten Israelis behandelt wie lästige Fliegen.

Es ist richtig und wichtig, wenn der deutsche Staat am Jahrestag mit einem würdigen Gedenken an die Tat von damals erinnert – auch um den begründeten Eindruck der Vergangenheit zu korrigieren, jüdische Menschenleben seien nicht so viel wert. Die Bundesrepublik muss auf die Hinterbliebenen zugehen. Ihr Schmerz reicht bis zum heutigen Tag und ist nicht mit Geld aufzuwiegen. Eine großzügige Geste und das Eingeständnis von Schuld sind seit 50 Jahren überfällig.

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Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024

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