Frauenrechte in Europa: EU für Abtreibung als Grundrecht

Das EU-Parlament verlangt die Aufnahme des Rechts auf Abtreibung in die Grundrechtecharta. Der Entscheid des Obersten US-Gerichtshofs wird verurteilt.

Protestierende im Gegenlicht

Wie diese US-De­mons­tran­t:in­nen verurteilen auch EU-Parlamentarier Frauenrechtseinschränkungen Foto: Caitlin Ochs/reuters

STRAßBURG afp/dpa | Nach der Aufhebung eines US-Grundsatzurteils zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen hat das Europäische Parlament die Aufnahme des Rechts auf Abtreibung in die EU-Grundrechtecharta gefordert. In die Charta solle der Satz „Jeder hat das Recht auf sichere und legale Abtreibung“ aufgenommen werden, forderte die Mehrheit der Abgeordneten am Donnerstag in Straßburg in einer nicht bindenden Entschließung. Demnach sollen die Mitgliedstaaten sich nun damit befassen.

Die im Jahr 2000 verabschiedete Grundrechtecharta der EU ist rechtlich bindend und hat den gleichen Stellenwert wie die Verträge der EU. Die Aufnahme des Rechts auf Abtreibung in die Charta erfordert nach den derzeitigen EU-Verträgen die Einstimmigkeit der Mitgliedsländer, die derzeit nicht besteht. Die Abgeordneten forderten in ihrer Entschließung daher auch eine Möglichkeit zur Änderung der Verträge.

Die Parlamentarier verurteilten „erneut aufs Schärfste die Rückschritte bei den Rechten von Frauen und der sexuellen und reproduktiven Gesundheit“ weltweit, „auch in den USA und in einigen EU-Mitgliedstaaten“.

Die Europaabgeordnete Terry Reintke (Grüne) unterstützte die Forderung. „Auch in Europa wollen rechtskonservative Kräfte die Zeit zurückdrehen“, erklärte Reintke. Die französische Abgeordnete Nathalie Colin-Oesterlé von der konservativen EVP-Fraktion hatte am Montag ebenfalls davor gewarnt, dass in Europa „die Frauenrechte auch bedroht“ seien.

„Starke Frauenrechte“ seien „eine Errungenschaft, auf die ganz Europa stolz sein kann“, hatte die EU-Gleichstellungskommissarin Helena Dalli am Montag in Straßburg gesagt. „Wir sollten vorwärts gehen, nicht rückwärts.“

„Die Entscheidung des Obersten US-Gerichtshofs ist ein herber Rückschlag für die Rechte der Frauen und unser aller Selbstbestimmung“, erklärte die SPD-Europaabgeordnete Maria Noichl. Die Grünen-Abgeordnete Terry Reintke sagte: „Ideologische Grabenkämpfe dürfen nicht länger auf dem Körper und der Gesundheit von Frauen ausgetragen werden.“ Viele Abgeordnete der Konservativen und Christdemokraten – darunter EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) – stimmten gegen die Resolution.

In den USA hatte der Oberste Gerichtshof des Landes am 24. Juni das seit fünf Jahrzehnten geltende Recht auf Abtreibung gekippt. Der mehrheitlich von konservativen Richtern besetzte Supreme Court hob das Grundsatzurteil „Roe v. Wade“ aus dem Jahr 1973 auf, das Schwangerschaftsabbrüche landesweit grundsätzlich erlaubt hatte.

In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch nach Paragraf 218 des Strafgesetzbuches grundsätzlich verboten. In den ersten zwölf Schwangerschaftswochen bleiben Abtreibungen aber straffrei, wenn es vorher eine Beratung gegeben hat, die Schwangerschaft durch ein Sexualdelikt wie einer Vergewaltigung entstanden ist oder gesundheitliche Gefahren bestehen.

🐾 taz-Autorin Dinah Riese schrieb über die Abschaffung von Paragraf 219a in Deutschland und führte ein Interview mit der Ärztin Kristina Hänel, die dafür jahrelang gekämpft hat. Zusammen mit taz-Autorin Patricia Hecht berichtet über den noch geltenden Paragraf 218 des deutschen Strafgesetzbuches.

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