Litauen will Asylgesetz nicht ändern: Vilnius versus Luxemburg

Litauens Asylgesetz erlaubt die Inhaftierung von Flüchtlingen – eine illegale Regelung, so der EuGH. Doch das baltische Land will daran festhalten.

Zwei Personen vor einem Auto im Dunkeln

Flüchtlinge nicht willkommen: Litauens Grenzpolizei an der Grenze zu Belarus im Juli 2021 Foto: Mindaugas Kulbis/ap

STOCKHOLM taz | Obwohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Donnerstag vergangener Woche entschieden hat, dass ein litauisches Gesetz zum Umgang mit „illegalen Migranten“ einen Verstoß gegen EU-Asylrecht darstellt, ist die Regierung in Vilnius nicht bereit, dieses aufzuheben oder zu ändern. Das erklärte Innenministerin Agnė Bilotaitė auf einer Pressekonferenz am Freitag. Litauen habe alle Maßnahmen zum Schutz seiner Sicherheit – also auch das fragliche Gesetz – „mit Brüssel koordiniert“.

Die Entscheidung des EuGH war einen Tag vor dem Jahrestag der Verhängung der Sondergesetze ergangen, mit denen Litauens Regierung und Parlament ab dem 1. Juli 2021 grundlegende Asylrechte ausgehebelt hatten. Aufgrund einer angeblichen „Notstandssituation“ waren Pushbacks an der litauisch-belarussischen Grenze für zulässig erklärt und bis zu einjährige Freiheitsstrafen für Flüchtlinge allein wegen deren „illegaler Einreise“ ermöglicht worden.

Laut Statistik der Grenzpolizei könnte es sich um über 10.300 Fälle handeln, in denen aufgrund der Einschätzung des Gerichts in Luxemburg gegen EU-Recht verstoßen wurde. Am Freitag hatte die Grenzpolizei vier weitere Pushbacks gemeldet.

Mit den umstrittenen Regeln „haben wir Lukaschenkos hybriden Angriff gegen uns alle abgewehrt“, erklärte Bilotaitė, die der nationalistischen Vaterlandsunion – Christdemokraten angehört. Der belarussische Präsident habe versucht, „die EU mit illegalen Migranten zu fluten“. Um diese „Attacke“ abwehren zu können, habe es „schneller, unkonventioneller und oft unpopulärer Entscheidungen“ bedurft. ­Litauen müsse „sich weiterhin verteidigen“.

Das EU-Recht sei für die Situation einer „irregulären Migration“, wie sie Litauen erlebt habe, nicht geeignet, erklärte die Ministerin. Deshalb strebe Litauen eine Änderung an.

Kein Rechtsschutz, kein Asylprozess

Bereits Anfang vergangener Woche klagte Amnesty International in einem Bericht unhaltbare Zustände in litauischen Asylzentren an. Man habe „Tausende von Menschen willkürlich in militarisierten Zentren festgehalten, wo sie unmenschlichen Bedingungen, Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt worden sind“. Ein fairer Asylprozess werde ihnen vorenthalten, ihr Rechtsschutz sei „eine Schande“, man hoffe offenbar, sie durch unwürdige Behandlung zu einer freiwilligen Ausreise bewegen zu können.

Vor allem Frauen berichteten Amnesty von physischen und psychischen Übergriffen. Eine junge Jesidin, die seit Monaten in einem Lager interniert ist, berichtet: „Im Irak haben wir etwas von Menschenrechten und Rechten für Frauen gehört. Aber hier gibt es keine Rechte.“

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