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Kritik am halbherzigen EU-Ölembargo

Ungarn kann für sich Ausnahmen beim europäischen Importstopp von russischem Öl rausschlagen. Die Afrikanische Union warnt vor Nahrungskrise

So läuft es nicht mehr: Diese Öltanks im Rotter­damer Hafen dürfen kein russisches Öl mehr annehmen Foto: Thomas Muncke/picture alliance

Aus Brüssel Eric Bonse

Die 27 EU-Staaten haben sich bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel auf ein Ölembargo „light“ gegen Russland geeinigt. Die Einfuhr von russischem Öl auf dem Schiffsweg wird verboten, die Lieferung über die Druschba-Pipeline bleibt jedoch vorerst erlaubt. Der Kompromiss, der einen wochenlangen Streit beendet, lässt viele Fragen offen. EU-Ratspräsident Charles Michel sprach von einem „bemerkenswerten Erfolg“. Der Kompromiss decke mehr als zwei Drittel der Ölimporte aus Russland ab, „und schneidet damit eine enorme Quelle der Finanzierung seiner Kriegsmaschinerie ab“. Bis zum Jahresende würden sogar fast 90 Prozent der russischen Ölimporte gekappt.

Ganz anders stellte es Ungarns autoritärer Regierungschef Viktor Orbán dar. „Ungarn ist von dem Ölembargo ausgenommen“, schrieb er auf Facebook. Tatsächlich entsteht nun ein Zweiklassensystem. Ungarn, die Slowakei und Tschechien dürfen weiter russisches Öl über die Druschba-Pipeline beziehen. Demgegenüber müssen alle anderen EU-Staaten ihre Nachfrage herunterfahren. Das gilt auch für Deutschland. Obwohl Ostdeutschland ebenfalls über die Druschba versorgt wird, soll das Embargo dort bis Jahresende greifen. Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD) hatte am Montag vor dieser Entscheidung gewarnt und eine Ausnahme gefordert.

Doch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ignorierte den Appell seiner Genossin. Für Deutschland bleibe er bei seinem Ziel, bis Jahresende kein Öl aus Russland mehr zu importieren, sagte Scholz nach dem Gipfeltreffen. Details blieb der Kanzler ebenso schuldig wie Gipfelchef Michel. Sie sollen noch nachgeliefert werden, hieß es in Brüssel. Auch der offizielle Sanktionsbeschluss steht noch aus. Der Rat solle die Vorgaben der Staats- und Regierungschefs „ohne Verzug finalisieren und beschließen“, heißt es in der Gipfelerklärung.

Scharfe Kritik kommt aus dem Europaparlament. Die Ausgestaltung des Ölembargos sei enttäuschend, sagte Rasmus Andresen, der Sprecher der deutschen Grünen. „Die EU zeigt sich nicht entschlossen, sondern eiert weiterhin bei den Energie-Embargos. Weitreichende Ausnahmen und lange Fristen lassen die Wirkung verpuffen.“ BDI-Präsident Siegfried Russwurm sprach von einem „außerordentlich drastischen Schritt“. Die deutschen Unternehmen hätten sich jedoch vorbereitet und unterstützten die Maßnahme, die zu höheren Preisen bei Öl und Benzin führen dürfte. Am Dienstag stieg der Preis für das Nordseeöl Brent auf den höchsten Stand seit drei Monaten.

Nebem dem Ölembargo enthält das sechste Sanktionspaket der EU noch weitere Maßnahmen. So soll die größte russische Bank, die Sberbank, vom Bankdienstleister Swift abgekoppelt werden. Nach RT Deutsch und Sputnik sollen drei weitere russische Staatssender ihre Sendelizenz in der EU verlieren. Außerdem werden Einreise- und Vermögenssperren gegen weitere 58 Personen verhängt.

Der EU-Gipfel beschloss zudem, die Ukraine mit einem neuen Hilfspaket vor der Staatspleite zu retten. So soll es in diesem Jahr bis zu 9 Milliarden Euro an Budgethilfen geben. Mit dem Geld werden unter ­anderem ­Beamtengehälter und Renten bezahlt. Außerdem macht sich die EU für ein Ende der Blockade ukrainischer Getreide­exporte stark. Rückendeckung bekam sie vom Vorsitzenden der Afrikanischen Union (AU), Macky Sall.

Anders als Gipfelchef Michel machte Sall allerdings nicht nur Russland für die Krise verantwortlich. Vielmehr warnte er auch vor den Folgen der EU-Sanktionen. Der Ausschluss russischer Banken aus dem Swift-Zahlungssystem erschwere die Bezahlung wichtiger Agrarprodukte, wodurch die Lebensmittelversorgung gefährdet sei, sagte Sall. Auch die Blockade des ukrainischen Hafens Odessa müsse aufgehoben werden.

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