Klimapolitik der EU: Ökolabel für Gas und Atom floppt

Ausschüsse des Brüsseler Parlaments stimmen gegen die Taxonomie-Pläne der EU-Kommission. Folgt ihnen nun auch die Mehrheit der Abgeordneten?

Kommissionspräsidentin von der Leyen.

Keine Mehrheit für ihre Idee? Kommissionspräsidentin von der Leyen Foto: Johanna Geron/reuters

BRÜSSEL taz | Es ist eine Ohrfeige für die EU-Kommission: Zwei wichtige Ausschüsse des Europaparlaments haben sich am Dienstag in Brüssel gegen ein geplantes Ökolabel für Atomkraft und Gas ausgesprochen. Damit wackelt die sogenannte Taxonomie, mit der die Behörde Investitionen in „nachhaltige“ Energieträger lenken will.

Die Idee stammt von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Zum Jahreswechsel legte sie ihren Entwurf vor, mit dem sie Deutschland beim Gas und Frankreich bei der Atomkraft entgegenkommen wollte. Beide Energieträger sollen als klimaschonende Übergangstechnologien eingruppiert werden.

Die Parlamentarier hat das nicht überzeugt. Der Umwelt- und der Wirtschaftsausschuss lehnten die Vorlage mit 76 zu 62 Stimmen bei 4 Enthaltungen ab. Entscheidend wird nun die nächste Sitzung des gesamten Parlaments im Juli. Wenn das Plenum die Regelung ebenfalls ablehnt, so kann sie nicht in Kraft treten, die Taxonomie wäre tot.

„Das ist eine erste Klatsche gegen den Versuch der Kommissionschefin von der Leyen, Atomkraft und Gas durch die Hintertür als grün zu deklarieren“, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss. Er geht davon aus, dass das Ausschussvotum eine Signalwirkung entfalten wird – und auch das Plenum im Juli Nein sagt.

Die finale Entscheidung fällt erst noch

Nicht ganz so sicher ist sich Joachim Schuster von der SPD. „Bei der Entscheidung des gesamten Europäischen Parlaments wird sich zeigen, wie ernst es den Abgeordneten mit dem Umwelt- und Klimaschutz in Europa wirklich ist“, sagte er. Noch sei das „Greenwashing“ nicht vom Tisch, warnt der Wirtschaftsexperte.

Auch die Grünen-Abgeordnete Tilly Metz aus Luxemburg ist auf der Hut. „Die relativ knappe Mehrheit in den Ausschüssen zeigt, dass vor allem gegenüber dem rechten und liberalen Lager noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden muss“, sagte sie. Der Widerstand des EU-Parlaments sei unabdingbar: „Denn wir müssen leider davon ausgehen, dass es vonseiten der Mitgliedstaaten keine Mehrheit für ein Veto geben wird.“

Tatsächlich gibt es im Rat, der Vertretung der 27 EU-Länder, keinen Aufstand gegen die Taxonomie. Sie wird dort von einer breiten Mehrheit getragen.

Auch im Europaparlament ist ein Nein noch nicht sicher – trotz des negativen Ausschussvotums. Den Ausschlag dürften im Juli rund 200 Abgeordnete geben, die bisher noch unentschlossen sind. Sie werden nun mit Argumenten von beiden Seiten bombardiert.

Den Auftakt machte am Dienstag der Verband kommunaler Unternehmen VKU, der vor einem Scheitern des Entwurfs warnte. „Das Ergebnis der Abstimmung zeigt, dass sowohl die von der Kommission vorgeschlagenen Kriterien als auch die Bedeutung von Erdgas als Brücke hin zur Erreichung der Klimaziele missverstanden werden“, sagte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. Sollten sich die Gegner durchsetzen, werde dies den Ausbau der erneuerbaren Energien schwächen und die Klimaziele gefährden.

Ganz anders die Ökonomin Karolin Kir­schenmann. „Die Taxonomie ist ein problematisches, letztlich politisches Instrument“, sagte sie. Sie sei zu starr und setze falsche Anreize, so die Expertin des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Die Bewertung der Technologien solle besser dem Markt überlassen werden.

Und was sagt die EU-Kommission? Die ist ziemlich kleinlaut geworden. Die Taxonomie sei nur ein Klimaschutz-Instrument unter vielen, erklärte ein Sprecher. Zudem sei zu bedenken, dass sie schon vor dem Ukrainekrieg erarbeitet wurde. Es klang fast so, als wolle er sich für einen unzeitgemäßen, von den Ereignissen überholten Vorschlag entschuldigen.

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