Schlechtes Vorbild: Pop-Up-Radweg als Wahlkampfopfer

In Hannover ist ein Fahrradweg durch eine Unterführung dem CDU-Verkehrsminister ein Dorn im Auge. Er sieht die Autofahrer ausgebremst.

Mann auf Fahrrad

Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) möchte die Stadt fahrradfreundlicher machen Foto: Michael Matthey/dpa

HANNOVER taz | Eigentlich geht es um popelige 150 Meter Radweg. Um die streiten die Stadt Hannover und das Land Niedersachsen nun aber schon seit einem Jahr oder zweieinhalb Wahlkämpfen. Es geht den Schiffgraben, mitten in der Stadt. Der wird an einer Stelle unter den Eisenbahnschienen durchgeführt. Für Radfahrer war diese Passage ziemlich unangenehm: Eng, laut und dunkel, man hatte die Wahl entweder um die Fußgänger auf dem Gehsteig Slalom zu fahren oder sich auf der Straße von den vorbeirasenden Autos streifen zu lassen.

Das wollte Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) nicht länger hinnehmen, immerhin ist er angetreten, die Verkehrswende herbeizuführen und die Stadt insbesondere fahrradfreundlicher zu machen. Also wurde eine von zwei Autospuren kurzerhand mit gelben Markierungen in einen Pop-up-Radweg umgewandelt. Das geht so nicht, befand der stellvertretende Ministerpräsident und Verkehrsminister des Landes, Bernd Althusmann (CDU), prompt. Und sorgte damit im Kommunal- und Bundestagswahlkampf für einigen Wirbel. Dann ruhte das Thema erst einmal.

Im Februar legte die Stadt dann ein Gutachten vor, dass eine Gefährdung der Fußgänger und Radfahrer an dieser Stelle belegen sollte – immerhin müssen hier täglich mehr als 3000 Rad­fah­re­r*in­nen durch. Onay wollte die provisorische gelbe Markierung durch eine reguläre weiße ersetzen und die Radfahrerspur zusätzlich mit sogenannten Leitschwellen begrenzen.

Dazu sind die Radfahrer hier nicht gefährdet genug, findet jedoch das Verkehrsministerium ein paar Monate später, außerdem würde der Autoverkehr auf dem Cityring durch dieses Nadelöhr zu sehr ausgebremst. Man könne ja stattdessen den Gehweg verbreitern und die beiden Autospuren etwas schmaler machen, schlug das Ministerium vor. Das Land würde auch 75 Prozent der – deutlich höheren – Kosten tragen.

Grüne sind befremdet

Das finden nun vor allem die Landes-Grünen befremdlich. Seit wann kümmert sich eigentlich der Landesverkehrsminister um die Verbreiterung von Fußwegen in einer Kommune? Könnte das etwas damit zu tun haben, dass in Hannover halt schon wieder Wahlkampf ist? Am 9. Oktober wird ein neuer Landtag gewählt und CDU-Spitzenkandidat Althusmann hofft wohl als Anwalt der Autofahrer Punkte zu sammeln. Er kritisierte auch schon die „Experimentierräume“ in der Innenstadt. Mit den vorübergehenden Straßensperren hatte Onay die Vorzüge einer autofreien Stadt anschaulich machen wollen.

Auch bei der Umsetzung der Tempo-30-Modellprojekte stehe das Verkehrsministerium mit beiden Füßen auf der Bremse, mosern die Grünen. Kein Wunder: Das war 2016 von der damals noch rot-grünen Landesregierung beschlossen worden. Mit den Modellprojekten zu Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen sollten die Auswirkungen auf CO2-Emissionen, Verkehrssicherheit und Lärm untersucht werden.

Landesweit bewarben sich 43 Kommunen, allein in der Region Hannover sollten auf gleich hundert Durchgangsstraßen das Tempo gedrosselt werden. Das nunmehr CDU-geführte Verkehrsministerium prüft lieber endlos als so etwas zu genehmigen.

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