Gebäude mit Problemen: Kein Kongress tanzt
Das Internationale Congress Centrum in Berlin ist keine klassische Schönheit. Aber der gewaltige Bau funktioniert tadellos. Wenn man ihn nur ließe.
Es ist wirklich nicht zu übersehen. Das Internationale Congress Centrum Berlin (ICC) ist ein inmitten von mehrspurigen Straßen gestrandeter gewaltiger Bau im Westen Berlins, nur wenige Meter vom Funkturm entfernt. Der Baukörper ist eingefasst von Streben, Bügeln und Bändern, die ihn wie Gürtel einschnüren. Allerlei Ausstülpungen gliedern die klobige Masse hier am Messegelände. Sie wirkt schon so, als hätte man im Architekturstudium darum gebeten, mal eine Erzählung von Franz Kafka in ein Modell zu zwängen.
Die mit dem ICC erzählte Geschichte wäre natürlich die von Gregor Samsa, der sich ja eines Morgens in seinem Bett zu einem „ungeheuren Ungeziefer“ verwandelt“ fand. Das ICC ist also nicht gerade die klassische Schönheit, aber sehr imposant in seiner Einzigartigkeit. Und architektonisch so ungelenk wie Samsa in seinem Bett kann der von Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte entworfene und 1979 eröffnete Bau dann doch nicht sein, weil er immer wieder mit dem World Travel Award in der Kategorie der Kongresszentren ausgezeichnet oder zumindest dafür nominiert worden ist. Und das war so bis 2014.
Dass es danach mit dieser als „Oscar der Reiseindustrie“ geltenden Auszeichnung nichts mehr wurde, liegt nicht am ICC. Sondern daran, dass es schlicht aus dem Rennen genommen wurde. Das ICC ist nicht nur ein gewaltiger Bau, es ist auch ein großes Problem.
Nachhaltig kam später
Denn mit Wirtschaftlichkeit kann das so gar nicht schlanke Haus nicht protzen. Schließlich wurde es in den Siebzigern zu Zeiten entworfen, als man es mit der Nachhaltigkeit noch nicht so hatte. Und die Großzügigkeit drinnen mit der weiten Flughafenatmosphäre und den üppig bemessenen Foyers ist ja gerade das, was preiswürdig war. Und was eben sein Geld kostet, sodass die Messe Berlin, ein Landesunternehmen, dem das ICC gehört, die Reißleine zog und dort nichts mehr veranstaltete, weil die Betriebskosten die Einnahmen aus Veranstaltungen übersteigen würden.
Seit 2014 sind also prinzipiell die Türen zu. Nur kurzzeitig wurde es als Notunterkunft für Geflüchtete genutzt, derzeit dient es als arg überdimensioniertes Impfzentrum.
Was da sonst an Nutzung möglich wäre, wurde vergangenen Herbst mit einem zehntägigen Kunstprojekt gezeigt. Mit den Performances, Installationen und weiteren Aktionen wurde auch die ins Stocken geratene Diskussion über das ICC frisch belebt. Denn weiter ist ungeklärt, ob und wann das ICC saniert wird. Und was überhaupt mit ihm passieren soll.
Harte Arbeit am schlechten Ruf
„Das ICC ist in den letzten Jahren kontinuierlich schlechtgeredet worden“, sagt Frank Oehring, der durchaus ein Fan des Baus ist, und das nicht nur, weil er dafür das Wegeleit- und Leuchtsystem entworfen hat, deren Pläne kürzlich in Berlin in einer Ausstellung zu sehen waren.
Da war die Klage über Asbest (der letztlich gar kein Problem war). Da gab es das Jammern über die riesigen Flächen, die man nicht nutzen könne. Am liebsten wollen manche den Bau so abreißen lassen, wie man das in Berlin mit dem Palast der Republik, dem realsozialistischen Gegenstück zum ICC im Osten der Stadt, ja auch gemacht hat.
Auch an Wortmeldungen von PolitikerInnen, die das ICC wieder flottbekommen wollen, fehlte es die Jahre nicht. Auf dem geduldigen Papier aber sieht das dann so aus, dass in der rot-rot-grünen Koalitionsvereinbarung 2016 noch zu lesen war: „Das ICC soll saniert und künftig wieder als Kongresszentrum genutzt werden“, während im aktuellen, nunmehr rot-grün-roten Koalitionsvertrag 2021 vom ICC mit keinem Wort mehr die Rede ist. Und auch nicht im aktuellen Haushaltsentwurf.
Rausschieben. Aussitzen. Als ob man das ICC wie Gregor Samsa einfach entschlafen lassen wollte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht