Tankrabatt unbeliebt, aber wirkungsvoll: Spritpreise sinken deutlich

Mit weniger Steuern auf Benzin und Diesel und 9-Euro-Ticket startet die Regierung ein riesiges Experiment. Der Rabatt steht in der Kritik – und wirkt.

Betrieb an einer Tankstelle.

Viel Betrieb an den Tankstellen, hier in in Frankfurt am Main am 1. Mai Foto: Hannes P. Albert/dpa

BERLIN taz | Da startet die Bundesregierung am Mittwoch das wohl bislang größte verkehrspolitische Experiment aller Zeiten – und die Deutschen? Stänkerten herum, vor allem am Tankrabatt, weniger am 9-Euro-Ticket.

Die insgesamt 5,7 Milliarden Euro teuren Maßnahmen sollen nun jeweils drei Monate lang die stark angestiegenen Energiepreise abfedern – und mehr Menschen in Busse und Bahnen lenken. Bei ExpertInnen kommt die Aktion aber ganz schlecht weg: Die Senkung der Steuer auf Benzin und Diesel sei die „falsche Maßnahme“, sagte ausgerechnet Clemens Fuest, Chef des konservativen Münchner Ifo-Instituts, am Mittwoch im ZDF. Die etwa 3,2 Milliarden Euro teure Subvention entlaste vor allem wohlhabende Bürger mit großen Autos. Außerdem setze sie den Anreiz, mehr Öl zu verbrauchen.

„Am Ende geht viel Steuergeld in den Rachen der Mineralölkonzerne“, sagte auch Claudia Kemfert vom traditionell SPD-näheren Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Die sogenannte Spritpreisbremse sei „ein klimaschädlicher Fehlanreiz“, kritisierte die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch.

Am vergangenen Freitag noch habe die Bundes­regierung „eine Einigung der G7 auf ein Auslaufen klimaschädlicher Subventionen durchgesetzt, und heute, fünf Tage später, startet sie selbst eine neue Subvention für fossile Energieträger: den Tankrabatt“. Damit mache sich Deutschland nicht nur „international unglaubwürdig“. Die Bundesregierung setze auch „die Verkehrswende aufs Spiel“.

Linke distanzieren sich von FDP

Auch in der Generaldebatte im Bundestag wurde über die Maßnahme gestritten. Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali kritisierte die soziale Schieflage der Maßnahmen – und forderte „eine wirksame staatliche Preisaufsicht für Lebensmittel und Energie“ sowie weitere Direktzahlungen zur Abfederung der Preissteigerungen. Die Grünen im Bundestag distanzierten sich indes erneut vom Koalitionspartner FDP, der die Energiesteuersenkung auf Kraftstoffe in der Ampel durchgedrückt hatte.

Fraktionschefin Katharina Dröge forderte ein neues Instrument gegen „exzessive Gewinne“ der Ölkonzerne. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sei gewarnt worden, „dass eine Preissubvention für Benzin zu einem relevanten Anteil bei den Mineralölkonzernen landen kann“, sagte sie der Neuen Osnabrücker Zeitung. FDP-Fraktionschef Christian Dürr verteidigte indes den Tankrabatt: 60 Prozent der Deutschen lebten im ländlichen Raum – und seien auf ihr Auto angewiesen, sagte er im Deutschlandfunk. Die Pendler hätten durch die gestiegenen Kraftstoffpreise erhebliche Mehrkosten, die man ausgleichen wolle.

In der Nacht zum Mittwoch waren die Steuern auf Benzin um 35 und die auf Diesel um 17 Cent pro Liter gesunken – und das zeigte auch Wirkung: Eine Auswertung des Autoclubs ADAC ergab, dass die Spritpreise in den Morgenstunden „sukzessive nachgegeben haben“.

Die Preise für Diesel und Benzin seien an vielen Tankstellen wieder unter 2 Euro gefallen. Nach Analysen des SWR kostete Super-Benzin am Mittwoch früh im Vergleich zum Dienstag im Durchschnitt 20 Cent weniger, Diesel war um 8 bis 9 Cent günstiger pro Liter. Im weiteren Tagesverlauf sanken die Preise zwar weiter, aber nicht alle Tankstellen beglückten ihre KundInnen mit dem vollständigen Rabatt.

In der Woche zuvor legten Preise zu

Zudem hatten laut ADAC in der Woche zuvor die Preise an den Tankstellen deutlich zugelegt. Ein Grund dafür sei die gestiegene Nachfrage in den USA. Der Benzinpreis stieg im Wochenvergleich bis Dienstag um 6,1 Cent auf 2,151 Euro, beim Diesel betrug das Plus 5 Cent auf 2,044 Euro.

„Auch wenn es keine rechtliche Verpflichtung gibt, die Steuersenkung eins zu eins weiterzugeben, handeln die Mineralölkonzerne hier unter dem ‚Brennglas‘ des Bundeskartellamtes“, kündigte Behördenchef Andreas Mundt an.

Allerdings sind seine Möglichkeiten begrenzt. „Als Wettbewerbsbehörde können wir hohe, auch sehr hohe Preise nicht einfach verbieten“, räumte er ein. Kartellrechtswidriges Verhalten könne jedoch abgestellt und mit hohen Bußgeldern geahndet werden, sagte Mundt. Dafür gebe es bislang keine Hinweise. „Wir sehen seit Monaten eine Entkopplung von Rohölpreis und Raffinerie- beziehungsweise Tankstellenpreisen“, betonte Mundt.

Das Monitoring der Kartellwächter sei vor dem 1. Juni mit Blick auf die anstehenden Steuersenkungen intensiviert worden. Zudem habe man eine Untersuchung der Raffinerien und des Großhandels eingeleitet, um Transparenz für den Kraftstoffmarkt herzustellen. „Hohe Preise können viele Gründe haben“, sagte Mundt, „und können auch im Wettbewerb entstehen“.

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