Cyber-Grooming im Netz: Ich will ein Snap von dir

Fremde nutzen verstärkt das Internet, um Minderjährige zu kontaktieren. Staat und Eltern stehen in der Verantwortung, Kinder zu schützen.

Ein Mädchen hält ein Handy vor ihre Augen, sie ist im Profil zu sehen

Gefahr für Minderjährige bei Social-Media-Plattformen Foto: Jan Hakan Dahlström/plainpicture

BERLIN taz | Jedes vierte minderjährige Kind wird im Internet von Erwachsenen zu einer Verabredung aufgefordert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen aus dem Dezember 2021. Ferner bekam je­de:r siebte Minderjährige die Aufforderung, für eine erwachsene Person vor der Webcam die Kleidung abzulegen oder die Kamera des Smartphones anzuschalten.

Grooming nennt sich diese Art der Annäherung. Das Wort stammt aus dem Englischen und bezeichnet die gezielte Kontaktaufnahme von Erwachsenen mit Minderjährigen mit der Absicht, diese zu missbrauchen. Findet sie in der virtuellen Welt statt, spricht man von Cyber-Grooming. Um Kinder stärker vor Kriminalität im Netz zu schützen, erklärte Thomas Langwald, Beauftragter für Jugendsachen der Polizei Hannover, dass sie nicht ohne Aufsicht im Internet surfen sollten. Ferner betonte er, dass Hardware wie Computer oder Laptop ins Wohnzimmer und nicht ins Kinderzimmer gehören.

Zu nicht ganz so großer Strenge, aber zu Vorsichtsmaßnahmen rät auch der Bundesabgeordnete Matthias Seestern-Pauly (FDP). Er ist Obmann im Familienausschuss sowie Mitglied der Kinderkommission. Gegenüber der taz sagte er, dass Eltern für die Gefahren im Netz sensibilisiert werden müssten.

Laut Langwald würden sich einige Menschen mit pädophiler Neigung insbesondere über digitale Spiele wie „Clash of Clans“ oder „Fortnite“ Zugang zu Kindern verschaffen. Langwald zufolge wüssten Tä­te­r:in­nen „oft genau darüber Bescheid, welche Spiele gerade angesagt sind“.

Bei Sozialen Medien ist auch Vorsicht geboten

Rainer Rettinger, Geschäftsführer des Deutschen Kindervereins (DKV), ergänzt gegenüber der taz, dass Messenger und Social-Media-Plattformen wie Tellonym, Tiktok, Snapchat, Whatsapp und Instagram ebenfalls eine große Rolle spielen. „Oft werden dann von dem Kind Nacktbilder angefordert, um dann wiederum das Kind zu erpressen“, sagt Rettinger. Weigern sich die Kinder, werden sie bedroht.

Laut Rettinger seien dies „perfide Strategien, mit denen Kinder dann unter Druck gesetzt werden“. Zu bekannten Tä­te­r:in­nen­stra­te­gi­en zählen Geheimhaltungsdruck, Manipulation von Wahrnehmung, Entwertung des Kindes sowie tödliche Bedrohung – Tä­te­r:in­nen drohen beispielsweise, die Eltern des Kindes umzubringen.

Von den befragten Minderjährigen gaben 15 Prozent an, ungefragt Nacktbilder zugesandt bekommen zu haben. Was die Tä­te­r:in­nen angeht, sei laut Rettinger besonders erschreckend, „dass 40 Prozent selbst Minderjährige“ seien. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein 14-Jähriger einer 13-Jährigen ein Dickpic schickt, also ein Foto eines Penis.

Kinderschutz muss im Fokus stehen

Die Folgen eines solchen Cyber-Groomings sind enorm, da Fotos, Videos sowie Kommentare nicht mehr aus dem Internet zu entfernen sind. Laut Rettinger würden Opfer „bis hin zu Suizidvorfällen“ leiden. Außerdem spricht nicht jedes Kind darüber, dass es eine solche Kontaktaufnahme gab. Aus diesem Grund gebe es eine „unglaublich hohe Dunkelziffer“.

Laut Seestern-Pauly hat sich die Ampelkoalition dazu verpflichtet, den Kinderschutz zu stärken. Es sei unter anderem notwendig, bei der Lehrkraftausbildung für Aufklärung zu sorgen. Heidi Reichinnek (Linke) fordert, dass den Kindern klargemacht werden müsse, dass sie keine Schuld tragen. Außerdem stehe der Staat in der Ver­antwortung: Daten, die einen Rückschluss auf die Identität der Kinder zulassen, sollen „besonders gut geschützt“ ­werden.

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