Diskriminierung von Frauen in Berlin: Es muss mehr geklagt werden

Frauen dürfen nicht mit freiem Oberkörper sonnenbaden? Eine Berlinerin wurde deswegen aus der Plansche geworfen – und klagt. Ein Wochenkommentar.

Ein Mann liegt auf einer Liegewiese im Prinzenbad in Berlin

Freier Oberkörper: Für Männer selbstverständlich, Frauen müssen sich das erst erklagen Foto: dpa

Nun gibt es also eine erste Klage nach dem Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG): Eine Berlinerin, Gabrielle Lebreton, hat den Bezirk Treptow-Köpenick auf Entschädigung verklagt, wie diese Woche bekannt wurde. Lebreton war aus der vom Bezirk betriebenen Plansche im Plänterwald hinausgeworfen worden, weil sie sich weigerte, einen BH anzuziehen. Wie es auch anwesende Männer taten, hatte sie mit freiem Oberkörper auf der Wiese gesessen. Doch die Security vor Ort meinte, als Frau müsse sie sich „oben rum“ bedecken.

An der Stelle werden einige fragen: Was will die Frau? Natürlich ziehen Frauen Bikinis an mit Oberteil und keine Badehosen! Erstens war das schon immer so; zweitens ist es gut so, sonst kriegen die Männer ja Stielaugen; drittens wäre das für Frauen dann sogar gefährlich (man weiß ja, dass manche Männer sich nicht zurückhalten können).

Tatsächlich mag der Anspruch, auch als Frau „oben ohne“ sein zu dürfen, dort wo Männer „oben ohne“ sein dürfen, neu und ungewohnt sein. Unberechtigt ist er deswegen nicht: Wenn wir es mit dem Anspruch der Gleichbehandlung (Art. 3 Grundgesetz: Diskriminierungsverbot!) Ernst nehmen, werden wir uns daran gewöhnen (müssen), dass „Minderheiten“ wie Frauen, Menschen mit körperlichen Einschränkungen, Alte und Kranke, Menschen anderer Hautfarbe oder Herkunft – kurz: all jene, die aufgrund bestimmter Kriterien oft nicht gleichberechtigt behandelt wurden – dieses Recht für sich einfordern. Damit wird zwangsläufig manche lieb gewonnene Tradition über Bord geworfen werden müssen.

Die Welt wird komplizierter: Man kann heute nicht mehr das N- oder Z-Wort sagen, wie es unsere Großeltern und teils Eltern noch taten. Man kann nicht mehr ungestraft sagen, dass man „Ausländern“ keine Wohnung geben will oder einem „Behinderten“ keine Arbeit – oder dass „Frauen“ Oberteile zu tragen haben dort, wo Männer ihre Bierbäuche zur Schau stellen dürfen.

Natürlich sehen das einige nicht ein und versuchen es trotzdem. Der Fortschritt ist: Es gibt inzwischen Gesetze dagegen. Bundesweit ist es das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG), das Diskriminierungen im privatrechtlichen Bereich verbietet, in Berlin gibt es sogar eines, das die Gleichbehandlung von Behörden verlangt.

Viele Diskriminierungen werden gar nicht thematisiert, nicht angezeigt, nicht beklagt – weil es für Diskriminierte oft so normal ist, dass sie sich daran gewöhnt haben

Es hat lange gedauert bis zur ersten Klage

Dass es nun mehr als eineinhalb Jahre gedauert hat, bis die erste Klage nach diesem Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) eingereicht wurde, mag viele erstaunen. Manche werden es womöglich als Zeichen deuten, dass Berliner Behörden ganz in Ordnung sind und gar nicht so viel diskriminieren. Dies ist jedoch keineswegs so!

Viele Diskriminierungen werden gar nicht thematisiert, nicht angezeigt, nicht beklagt – weil es für Diskriminierte oft so normal ist, dass sie sich daran gewöhnt haben. Oder weil sie meinen, Beschweren habe eh keinen Zweck oder bringe einem selbst nur Ärger ein.

Trotzdem hat die mit dem Gesetz eingerichtete Ombudsstelle über 600 Beschwerden bekommen seit September 2020. In vielen Fällen wissen die Behörden wohl auch, dass sie etwas falsch gemacht haben: Denn oft lenkten sie ein, wenn die Ombudsstelle sich einschalte, berichtet die Leiterin der Stelle, Doris Liebscher.

Aber auch, wenn eine Behörde die Anschuldigung von sich weist, würden die Diskriminierten ihre Beschwerde oft nicht weiter verfolgen. Verständlich: Solche rechtlichen Auseinandersetzungen sind nervenaufreiben – und das Leben ist, gerade für Menschen mit häufigen Diskriminierungserfahrungen, schon so anstrengend genug.

Wann kommt der Rechtshilfefonds?

Eine Klage vor Gericht einreichen, ist zudem teuer: Anwalts- und Gerichtskosten summieren sich schnell. Wer wagt diesen Einsatz schon, zumal bei völlig ungewissem Ausgang?

Um so wichtiger wäre es, wenn Berlin nach diesem wegweisenden Gesetz nun auch einen Rechtshilfefonds auf dem Weg bringt: Damit mehr Opfer von Diskriminierung die Möglichkeit bekommen, ihr Recht durchzusetzen. Oder wenigstens eine Entschädigung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1969, seit 2003 bei der taz, erst in Köln, seit 2007 in Berlin. Ist im Berliner Lokalteil verantwortlich für die Themenbereiche Migration und Antirassismus.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.