Regisseur Robert Eggers über „The Northman“: „Hinschmeißen war keine Option“

Der Regisseur Robert Eggers hat mit „The Northman“ einen Wikingerfilm gedreht. Er spricht über Schuhwerk, Essen mit Björk und die Härte Hollywoods.

Amleth (Alexander Skarsgård) fletscht im Wolfsfell bei Feuerschein die Zähne.

Machismo, ausnahmsweise: Amleth (Alexander Skarsgård) in „The Northman“ Foto: Focus Features LLC

taz: Herr Eggers, für Ihren Hauptdarsteller und Mitproduzenten Alexander Skarsgård war ein Wikingerfilm wie „The Northman“ ein seit Kindestagen gehegter Traum. Davon kann bei Ihnen nicht die Rede sein, richtig?

Robert Eggers: Nein, und ich staune selbst immer noch, dass ich einen solchen Machofilm gedreht habe. Mit der Ausnahme von „Conan der Barbar“ waren solche Geschichten bereits früher nicht meins. Und diese Vereinnahmung der Wikingermythen durch die rechte Szene und Neonazis hat mich erst recht abgeschreckt. Aber meine Frau war immer schon begeistert von Island und allem, was damit zusammenhängt. Bei einer gemeinsamen Reise dorthin konnte ich mich erst der Faszination der dortigen Landschaften nicht entziehen – und dann auch nicht mehr diesen alten Sagen.

Trotz des besagten Machismo, der Sie sonst störte?

Die Gewalt, die Brutalität, die Zerstörung – das lässt sich aus solchen Geschichten nicht herauslösen, deswegen kommt all das nun auch in meinem Film vor. Für mich entscheidend war aber die Entdeckung, dass in diesen alten Wikingersagen darüber hinaus noch sehr viel steckt: Poesie, Naturalismus, die Emotionen großer Familiensagen. Das waren die Aspekte, die mich letztlich dazu gebracht haben, einen Film wie „The Northman“ zu drehen. Und natürlich die Tatsache, dass ich den isländischen Schriftsteller Sjón kennengelernt habe, mit dem ich dann das Drehbuch schrieb. Hätte der mir keine tieferen Einblicke in diese Mythologie gegeben, gäbe es den Film vermutlich nicht.

1983 in New Hampshire geboren, gewann 2015 für seinen ersten langen Spielfilm „The Witch“ den Regiepreis beim Sundance Film Festival. Fünf Jahre später wurde „The Lighthouse“ in der Kategorie Beste Kamera für den Oscar nominiert. Das rund 90 Millionen Dollar teure Wikingerepos „The Northman“ ist Eggers’ erste Zusammenarbeit mit einem Hollywoodstudio.

Bislang haben Sie Ihre Drehbücher allein oder mit Ihrem Bruder Max geschrieben. War die Zusammenarbeit mit jemandem von außen eine Umstellung?

Nicht wirklich, obwohl ich anfangs ein wenig Respekt davor hatte, mit einer solchen literarischen Größe zusammenzuarbeiten. Aber ohne jemanden, der aus Island kommt und sich mit der Geschichte der dortigen Wikinger und ihrer Welt auskennt, hätte ich ein solches Drehbuch nicht schreiben wollen. Abgesehen davon, dass sich schnell zeigte, dass er eben nicht nur ein welterschütternd guter Autor ist, sondern wir uns auch sofort bestens verstanden. So wie Björk es prognostiziert hatte.

Sie haben Sjón durch die isländische Sängerin Björk kennengelernt?

Genau. Auf der besagten Islandreise mit meiner Frau stellte eine gemeinsame Bekannte den Kontakt zu Björk her, die es sich nicht nehmen ließ, direkt für uns zu kochen. Und dazu lud sie auch Sjón ein, weil sie meinte, dass wir prächtig miteinander klarkommen würden. Mir schien das absurd, weil sie mich ja noch gar nicht kannte. Aber recht behielt sie trotzdem.

Deswegen war es dann auch ausgemachte Sache, dass sie in „The Northman“ erst mal seit „Dancer in the Dark“ wieder auf der Leinwand zu sehen ist?

Ausgemachte Sache war das für sie nicht, denn ich glaube nicht, dass Björk je wieder vor der Kamera stehen wollte. Aber weil sie mit Sjón und auch mit unserem Komponisten Robin Carolan seit Langem befreundet ist und nun auch meine Frau und mich ein bisschen kennt, waren die Umstände für sie vertraut genug, um sich am Set wohlzufühlen. Außerdem hat sie ja auch nur zwei Szenen, die konnten wir an einem Tag drehen.

Apropos Dreharbeiten: Sie sind bekannt für Ihre Detailverliebtheit und ein Drängen auf Authentizität. Skarsgård trug etwa in seiner Rolle Schuhe, die exakt so hergestellt wurden wie damals üblich – und hatte auch davon nur ein Paar, um möglichst realitätstreu zu bleiben. Warum verwenden Sie so viel Energie auf solche Kleinigkeiten?

Weil ich mir wünsche, dass das Publikum in meine Filme wirklich ein- und abtaucht. Und das geht nur, wenn solche kleinen Details erstens vorhanden und zweitens korrekt sind. Nichts ist schlimmer, als wenn Kleinigkeiten einen aus einer Geschichte herausreißen. Oder das Setting einfach nicht echt wirkt. Es gibt zum Beispiel einige Fantasy-Serien, die eigentlich tolle Geschichten erzählen und spannende Figuren auffahren, mich aber einfach nicht bis ins Letzte packen, weil den Bildern eine falsche Künstlichkeit innewohnt. So etwas gilt es für mich unbedingt zu vermeiden.

Hatten Sie Bedenken, ob Ihre Art des Arbeitens und Ihr Stil sich umsetzen lassen würden, als Sie bei „The Northman“ erstmals mit einem Hollywoodstudio zusammenarbeiteten?

„The Northman“. Regie: Robert Eggers. Mit Alexander Skarsgård, Anya Taylor-Joy u. a. Großbritannien/USA 2022, 137 Min.

Klar hatte ich die. Das war ein großer Vertrauensvorschuss, den das Studio mir entgegenbrachte. Und umgekehrt genauso. Denn eigentlich hatte ich null Anspruch darauf, einen Film dieser Größenordnung zu drehen. Aber so bescheiden, offen und ehrlich ich bezüglich meiner Unzulänglichkeit bin, habe ich doch den Hochmut, Filmregisseur sein zu wollen. In diesem Zwiespalt bewege ich mich also dauerhaft.

Es soll dann, wie man hört, während der Schnittphase des Films durchaus geknirscht haben zwischen den Pro­du­zen­t*in­nen des Studios und Ihnen. Wie schwer war das auszuhalten?

Während der Vorbereitung und der Dreharbeiten hätten alle Beteiligten nicht unterstützender sein können. Und sie waren es auch im Schnitt, doch das Problem war, dass ich in ihren Augen nicht das abgeliefert hatte, was ich versprochen hatte. Nämlich den unterhaltsamsten Robert-Eggers-Film überhaupt. Was dann kam, war die schmerzhafteste und anstrengendste Erfahrung meines beruflichen Lebens. Es kamen immer wieder Änderungswünsche und Anmerkungen, und natürlich war klar, dass wir die umsetzen. Hinschmeißen war keine Option, und es kam auch nicht infrage, am Ende bei der Premiere eines Films aufzutauchen, für den ich mich schäme. Sjón sagte immer wieder zu mir: Wenn es uns nicht gelingt, diese Anmerkungen auf eine Weise umzusetzen, auf die wir stolz sein können, dann arbeiten wir nur nicht hart genug daran. Also habe ich so hart gearbeitet wie noch nie in meinem Leben. Und was soll ich sagen: Durch die Wünsche des Studios ist der Film am Ende besser geworden. Schmerzhaft, das zuzugeben, ist aber so. Doch künftig drehe ich trotzdem wieder kleinere Filme, bei denen ich mehr Kontrolle habe. Denn noch einmal möchte ich diese Erfahrung nicht machen.

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