Karlsruher Urteil zum Verfassungsschutz: Wanzen nur nach Vorschrift

Mit dem Urteil zum bayerischen Verfassungsschutz stärkt Karlsruhe sein Image als Wächter über Grundrechte. Auch bei der Überwachung gelten Regeln.

Smartphhone ragt aus einer weißen Bettdecke hervor

Bayern wieder abhörsicherer Foto: Harry+liy/plainpicture

Es gab ja schon Getuschel, ob das Bundesverfassungsgericht seinen Aufgaben noch ausreichend nachkomme. Vor allem bei Coronamaßnahmen zeigte sich Karlsruhe zuletzt ungewohnt großzügig und gestand dem Gesetzgeber angesichts der vielen Unwägbarkeiten einen weiten Gestaltungsspielraum zu. Kein Gesetz und keine Verordnung wurde beanstandet.

Doch die Sorge um das Gericht war unbegründet. Das aktuelle Urteil zum bayerischen Verfassungsschutz ist klassischer Karlsruher Stil. Kleinteilig werden alle Normen des Gesetzes zerpflückt und jede zweite für verfassungswidrig erklärt. So sichert sich das Bundesverfassungsgericht seinen Ruf als Wächter über unsere Grundrechte.

Bayerns CSU-Innenminister Joachim Herrmann ist trotzdem nicht traurig. In der Regel gibt Karlsruhe den Sicherheitsbehörden letztlich doch das, was sie wollen. Die Rich­te­r:in­nen fordern nur etwas höhere und präzisere Eingriffschwellen, etwas mehr unabhängige Kontrolle und einen ausreichenden Schutz des persönlichen Kernbereichs. Dann werden auch weitreichende Befugnisse wie die Verwanzung von Wohnungen oder die Ausspähung von Computern akzeptiert.

Nach einer Strafrunde durch das Parlament sind die beanstandeten Paragrafen dann mindestens doppelt so lang und kaum noch lesbar. Aber nun können sich alle versichern, dass die Rechtsstaatlichkeit jetzt wirklich gewahrt ist. Dass der Verfassungsschutz ohnehin nur extrem selten Wohnungen verwanzt und Computer ausspäht, spielt in der öffentlichen Wahrnehmung eh keine Rolle.

Das Bundesverfassungsgericht ist damit elementarer Bestandteil der bundesdeutschen Sicherheitspolitik. Es verschafft den Sicherheitsbehörden Akzeptanz und natürlich sensibilisiert es sie auch für die Grundrechte der verdächtigen Bürger:innen. Dass Karlsruhe bei der Coronabekämpfung auf diese Form der Intervention verzichtet hat, hat allerdings nicht zum Vertrauen in die Coronapolitik beigetragen.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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