9-Euro-Monatstickets: Zu wenig ist zu wenig

Die Länder ärgern sich wegen der Finanzierung. Kein Wunder, denn beim öffentlichen Nahverkehr fehlt an allen Ecken und Enden das Geld.

Ein doppelstöckiger Bus fährt in der Dämmerung

Der ÖPNV wartet auf Geld, die Kun­d*in­nen oft genug auf den Bus Foto: Stefan Zeitz/imago

Das 9-Euro-Monatsticket für den Juni, Juli und August wird an diesem Mittwoch mit einem Beschluss im Bundeskabinett aller Voraussicht nach auf den parlamentarischen Weg gebracht – auch wenn in den sozialen Medien jüngst die Befürchtung die Runde machte, dass es womöglich scheitert. Der Hintergrund: Das Landesverkehrsministerium Sachsen hatte in einer Pressemitteilung erklärt, der Bund stelle die Finanzierung des 9-Euro-Tickets infrage. Das stimmt so nicht, denn es bleibt bei der Kostenübernahme von 2,5 Milliarden Euro durch den Bund. Es bleibt aber auch dabei, dass der öffentliche Nahverkehr in Deutschland extrem unterfinanziert ist.

Das 9-Euro-Ticket ist eine tolle Sache. Wer möchte, kann damit einen Monat lang mit Bussen und Bahnen des Nah- und Regionalverkehrs durch ganz Deutschland reisen. Das wird viele Menschen animieren, den ÖPNV einfach einmal auszuprobieren. Be­rufs­pend­le­r:in­nen wagen es hoffentlich, das Auto stehen zu lassen und Bus oder Bahn zu nehmen. Gerade für diese Gruppe ist es gut, dass der Aktionszeitraum in die Ferienzeit fällt – denn dann sind nicht nur die Straßen, sondern auch die Bahnen leerer.

Nicht nur für leidenschaftliche und potenzielle ÖPNV-Freund:innen wird sich das 9-Euro-Ticket lohnen. Es ist auch verkehrspolitisch gut. Denn es spornt die Fantasie der Ent­schei­de­r:in­nen im ÖPNV an, die an Mangelverwaltung gewöhnt sind, und das ist perspektivisch wichtiger, als drei Monate lang billig Bus und Bahn zu fahren. In etlichen Verkehrsunternehmen wird über Anschlussangebote nachgedacht, damit die neu gewonnene Kundschaft auch gehalten werden kann. Neue Preismodelle und günstige Tarife könnten die Folge sein. Und ohne die wird es keine Verkehrswende weg vom individuellen Autofahren hin zu kollektiven, klimafreundlichen Formen der Fortbewegung geben.

Tickets im Nahverkehr sind zu teuer, vor allem wenn Fahrgäste durch mehrere Verkehrsverbünde fahren. Falls sie überhaupt im Tarifdschungel die richtige Fahrkarte finden. Deshalb ist die Vorfreude auf das 9-Euro-Ticket bei vielen groß – und die Bereitschaft zur Empörung hoch, wenn es infrage gestellt wird. Das ist auch den Lan­des­ver­kehrs­mi­nis­te­r:in­nen klar. Sie sollten nicht so tun, als stünde das Ticket zur Disposition, nur um Verhandlungsmasse für höhere Zuschüsse für den ÖPNV zu schaffen. Selbst wenn die Forderungen nach höheren Mitteln richtig sind. Die Verkehrsunternehmen leiden seit Langem an Geldmangel, jetzt kommen die höheren Kosten für Energie hinzu. Sie haben zu wenig Personal – auch weil die Leute angesichts der belastenden Arbeitszeiten nicht gut genug bezahlt werden.

Der Verkehrsminister hält Mittel in drei­stelliger Millionen- höhe zurück

Das verengt die Spielräume für das Vorantreiben der Verkehrswende enorm. Ein ­kostenloser ÖPNV-Sonntag ­anlässlich der Energiekrise – wenn es schon keinen autofreien ­Sonntag gibt – oder viel engere ­Taktung im Berufsverkehr oder die überfällige Erschließung ländlicher Regionen sind teuer.

Trotz der prekären finanziellen Lage treibt Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) Spielchen mit den Ländern. Er hält etwa Mittel in dreistelliger Millionenhöhe für den ÖPNV zurück, weil er die Branche erst einmal über die Qualität des Angebots diskutieren lassen will. Ja, es gibt jede Menge Verbesserungsbedarf, eine straffere Organisation und effektivere Planung kann sicher auch zu besseren Angeboten und besserem Service beitragen. Die Zahl zuständiger Behörden, Gremien, Verbünde und Träger drastisch zu reduzieren, wie der Minister fordert, ist sicher richtig. Aber das gegen Finanzierungsfragen auszuspielen, ist höchst unangebracht. Dass Landesverkehrsminister aller Parteien Wissing nicht über den Weg trauen, ist nachvollziehbar.

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