ÖPNV nach Auslaufen des 9-Euro-Tickets: Mehr davon!
Der Mobilitätsforscher Thorsten Koska fordert Anschlusskonzepte für das 9-Euro-Monatsticket. Der Bund solle mehr Geld in den ÖPNV stecken.

Im Juni, Juli und August gibt es bundesweit das 9-Euro-Ticket Foto: dpa
BERLIN taz | Der Mobilitätsforscher Thorsten Koska vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie fordert Anschlusskonzepte für das bundesweit geltende 9-Euro-Monatsticket für den ÖPNV, das im Juni, Juli und August erhältlich ist. Außerdem müsse der Bund mehr Geld für den Nahverkehr bereitstellen. Dann könne die Aktion „die notwendige Transformation des öffentlichen Verkehrs von einem vielfach defizitären Angebot hin zu einer vollwertigen Alternative zum privaten Pkw“ einleiten.
„Zwischen einem Einfrieren der Preise für die nächste Dekade über eine moderate Senkung bis zu einem 365-Euro-Ticket oder einem fahrscheinfreien Bürgerticket sind hier sehr viele Modelle mit unterschiedlicher Radikalität und unterschiedlichen Kosten denkbar“, sagte Koska der taz. Bei einem 365-Euro-Jahresticket zahlen Bürger:innen rechnerisch 1 Euro pro Tag. Fahrscheinfreie Modelle würden über eine zusätzliche monatliche Abgabe aller Bürger:innen für den Nahverkehr finanziert.
Das 9-Euro-Monatsticket für den ÖPNV ist Teil des Entlastungspakets der Bundesregierung, mit dem die Ampelparteien die gestiegenen Energie- und Spritpreise ausgleichen wollen. Es gilt bundesweit. Inhaber von Monats- und Jahreskarten erhalten eine Erstattung in Höhe der Differenz zu ihrem Abopreis. Das Angebot trage zur Entlastung angesichts gestiegener Konsumausgaben bei, lobte Koska. „Da Konsumausgaben und die Kosten für ÖPNV-Zeitfahrkarten bei einkommensschwachen Haushalten einen höheren Anteil des Einkommens ausmachen, kann die Maßnahme zudem einen teilweisen sozialen Ausgleich der gestiegenen Ausgaben leisten.“
Es sei wichtig, dass Preisdruck vom ÖPNV genommen werde. „Bis vor der Energiepreiskrise ist der ÖPNV-Preis im Schnitt der letzten zwei Jahrzehnte rund doppelt so stark angestiegen wie die Pkw-Betriebskosten“, so Koska. Er geht davon aus, dass das Ticket für Autohalter:innen ein Anreiz ist, den ÖPNV zu nutzen. Allerdings kann die erwartete Zunahme der Fahrgäste auch zu einer sinkenden Attraktivität führen. Koska plädiert deshalb für eine Aufstockung des Angebots, etwa durch höhere Taktzahlen und zusätzliche Busse.
Zurzeit streiten die Länder und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) heftig über die Finanzierung solcher Maßnahmen. Der Bund übernimmt zwar die Einnahmeausfälle für das 9-Euro-Ticket, verrechnet sie aber vorläufig mit Coronahilfen. Die Länder wollen darüber hinaus einen Ausgleich für den Mehraufwand sowie die steigenden Personal- und Energiekosten. Mehrere Landesverkehrsminister:innen fürchten ein „Strohfeuer“ – eine drei Monate lange extrem hohe Auslastung, die abrupt endet. Die Vorsitzende der Landesverkehrsministerkonferenz, die Bremer Senatorin Maike Schaefer (Grüne), warnt davor, dass es im September zu drastischen Preiserhöhungen im ÖPNV kommt, wenn der Bund nicht mehr zahlt.
Leser*innenkommentare
meerwind7
Wichtiger wäre ein attraktiver Preiskonzept für den Fernverkehr, mit z.B. 9 Cent/km als Regelpreis, der dann in der Hauptverkehrsstunden höher, bei schwacher Last niedriger ausfallen sollte.
Im Nahverkehr ist der Preis nicht so maßgeblich für die Verkehrsmittelwahl, bzw. am ehesten bei Einzelfahrscheinen.
Luftfahrer
Es ist sehr verwunderlich, dass der ÖV doppelt so viel Geld wie der MIV zur Verfügung stehen hat, aber damit gerade einmal 20% der Transportleistung des MIV hinbekommt. Es wäre mal wert zu untersuchen, was da so viel kostet. Vielleicht so ein Problem wie bei der Bundeswehr: ineffiziente Verwaltung, Doppelstrukturen, Abstellpöstchen für sonst unnütze Leute etc.
meerwind7
@Luftfahrer ... jeder Betrieb kocht sein eigenes Süppchen, bestellt Fahrzeuge in kleinen Stückzahlen mit spezifischen Anforderungen bei nicht kompatibler Technik, das sowohl in Deutschland wie erst recht in Europa. Die grenzüberschreitend eingesetzten Züge müssen für jedes Land einzeln zugelassen werden. Gebrauchte Züge müssten bei Zulassung in einem weteren Land neueste Normen einhalten, auch wenn die schon länger im jeweiligen Land eingesetzten, gleich alten Züge die nicht einhalten müssen.
Ihre Kostenangabe ist nicht stichhaltig. Beim Autoverkehr werden viele Kosten von dem Anliegern über Straßenbau-Beiträge und von Kommunen und Ländern getragen, die Fahrzeuge sowieso von den Besitzern.