Cum-Ex-Steuerskandal und die SPD: Parteispenden durchgewunken

Im Zusammenhang mit dem Cum-Ex-Steuerskandal hat sich die Hamburger SPD Spenden von Warburg-Tochterfirmen andrehen lassen, ohne es zu merken.

Mathias Petersen und Olaf Scholz im Rathaus

Schwierige Rollen: Mathias Petersen, Ausschussvorsitzender, mit Olaf Scholz (beide SPD) im Rathaus Foto: Christian Charisius/dpa

HAMBURG taz | Die Hamburger SPD scheint ein zwar ambitioniertes aber lax gehandhabtes System zur Prüfung von Parteispenden zu haben. Wie ihr Schatzmeister Christian Bernzen im Parlamentarischen Untersuchungsaussuschuss der Bürgerschaft zum Cum-Ex-Steuerraub nahelegte, wurde sie mit Spenden der Privatbank MM Warburg bedacht, ohne dass sie es merkte.

Das ist von Belang, weil die Spenden in einem Zusammenhang mit zwei Entscheidungen der Hamburger Finanzverwaltung stehen, die Bank zu schonen. Der Untersuchungsausschuss befasst sich mit der Frage, ob der damalige Bürgermeister Olaf Scholz und sein Finanzsenator Peter Tschentscher beim Finanzamt nachgeholfen haben.

Dessen Beamte quälten sich mit der Frage, ob der Fiskus in den Jahren 2016 und 2017 mutmaßlich zu Unrecht erstattete Steuern zurückfordern oder diese Forderungen verjähren lassen sollte. Es ging um insgesamt 90 Millionen Euro. Die Warburg-Eigentümer suchten deshalb den Kontakt zur Politk. Miteigentümer Christian Olearius trug den Fall Bürgermeister Scholz mehrfach in dessen Amtszimmer vor.

Zwei Hamburger SPD-Größen sollen solche Kontakte angebahnt haben. Es handelt es sich um den ehemaligen Hamburger Innensenator Alfons Pawelczyk und den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs, der einer der Sprecher des Seeheimer Kreises war, der den rechten Flügel der SPD repräsentiert. Kahrs war bis vor zwei Jahren Vorsitzender des SPD-Kreisverbandes Mitte, der die Warburg-Spenden eingeworben hat.

Keine konkrete Prüfungsroutine

Der sichtlich nervöse Schatzmeister Bernzen schilderte dem Ausschuss das Procedere: Grundsätzlich entscheiden demnach die Kreisverbände darüber, ob sie Spenden annehmen. Beträge von mehr als 2.000 Euro werden allerdings dem geschäftsführenden Landesvorstand vorgestellt, dem neben dem Landesvorstand auch die Kreisvorsitzenden angehören.

Der geschäftsführende Landesvorstand habe für Parteispenden zwar „keine konkrete Prüfungsroutine“, berichtete Bernzen. Es gelte jedoch die Regel, keine Spenden von Rüstungsfirmen anzunehmen und auch nicht solche von Unternehmen mit einer besonderen Nähe zur Hamburger Verwaltung. Darüber hinaus müssten Amtsträger wie Senatoren und Bezirksamtsleiter den Saal verlassen, wenn die Spenden besprochen würden.

2017, in dem Jahr in dem das Hamburger Finanzamt zum zweiten Mal eine Forderung an Warburg verjähren lassen wollte, nahm der Kreisverband Mitte drei Spenden von den Firmen Atalanta, Setubal und Vigor an – insgesamt 38.000 Euro. Bernzen zufolge war dem geschäftsführenden Landesvorstand nicht klar, dass es sich um Tochterfirmen der Warburg Bank handelte und es fragte offenbar auch niemand danach.

Ihm sei das erst nach einer Mitteilung des Berliner Willy-Brandt-Hauses klar geworden, sagte Bernzen. Die SPD-Parteizentrale prüfe die Spenden routinemäßig – anders als der Hamburger SPD-Landesverband, der sich auf die Angaben der Kreisverbände verlässt.

Unklare Befugnisse

„Haben Sie jemals eine einzige Spende inhaltlich selbst geprüft“, fragte der Bürgerschaftsabgeordnete David Stoop von der Linken. „Ich habe Ihnen dargestellt, was ich mit den Spenden gemacht habe“, wand sich Bernzen.

Dabei hätte der Kreisverband Mitte durchaus besondere Aufmerksamkeit verdient, wie Stoop fand. Schließlich sei er mit einem Spendenaufkommen von mehr als 600.000 Euro in den Jahren 2016 bis 2019 bundesweit Champion unter den SPD-Bezirken gewesen.

Allerdings hat der geschäftsführende Landesvorstand in puncto Spenden unklare Befugnisse: Die Landesebene müsse die Spenden zwar genehmigen, am Ende aber entscheide die Gliederung, also der Kreisverband, selbst und müsse das auch verantworten, sagte Bernzen.

In den Jahren 2016 und 2017 deutete schon vieles darauf hin, dass das von Warburg zurückzufordernde Geld aus betrügerischen Cum-Ex-Geschäften stammte. Bei Cum-Ex wurden Aktien um den Dividenenstichtag herum in bewusst verwirrender Weise hin und her gehandelt. Am Ende ließ sich kaum mehr nachvollziehen, wer die Papiere wann besaß und Kapitalertragsteuer bezahlt hatte, die er zurückfordern konnte.

Die Geschäfte waren daraufhin angelegt, dass sich mehrere Beteiligte die nur einmal bezahlte Kapitalertragsteuer erstatten lassen konnten – ein glatter Griff in die Staatskasse. Ein Rechercheverbund unter Führung des Investigativ-Portals „correctiv“ schätzt den Schaden allein in Deutschland auf fast 36 Milliarden Euro. Ende Juli 2021 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass Cum-Ex-Geschäfte strafbar sind.

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