Cum-Ex-Untersuchungsausschuss in Hamburg: Staatsanwalt entlastet Finanzamt
Vor dem Hamburger Cum-Ex-Ausschuss argumentiert ein Staatsanwalt wie die Finanzverwaltung, die hohe Steuerforderungen verjähren ließ.
Bei Cum-Ex geht es um Aktiengeschäfte, die in verschleiernder Weise so gestaltet waren, dass sich die Beteiligten eine einmal gezahlte Steuer mehrfach erstatten lassen konnten. Aus den Steuerkassen Deutschlands und anderer Länder wurden auf diese Weise Schätzungen zufolge 150 Milliarden Euro an Steuergeldern gestohlen. Bereichert haben sich daran die Investoren und Vermittler solcher Geschäfte – unter anderem die Hamburger Privatbank MM Warburg.
Der Hamburger Untersuchungsausschuss befasst sich mit der Frage, warum das Hamburger Finanzamt für Großunternehmen, gedeckt durch die Finanzbehörde – also das Ministerium – in den Jahren 2016 und 2017 mutmaßlich zu Unrecht erstattete Steuern nicht zurückfordern wollte.
Den Parlamentariern geht es dabei vor allem um die Frage, ob der damalige Finanzsenator Peter Tschentscher und der damalige Bürgermeister Olaf Scholz (beide SPD) auf diese Entscheidung eingewirkt haben.
Plötzlich zurückgerudert
Eine zentrale Rolle im Geschehen spielte die zuständige Sachgebietsleiterin im Finanzamt P.. Diese hatte die Steuern 2016 zunächst zurückfordern wollen und das ausführlich begründet, um dann nach einer Konferenz mit den Spitzen des Amtes und der Behörde zurückzurudern. 2017 hätte sich das Ganze wiederholt, hätte nicht das Bundesfinanzministerium die Hamburger angewiesen, das Geld einzutreiben.
P., gegen die die Kölner Staatsanwaltschaft mittlerweile wegen Begünstigung ermittelt, hatte auch vor dem Ausschuss argumentiert, sie habe die Steuern nicht zurückfordern können, weil der zugrunde liegende Sachverhalt nicht „ausermittelt“ gewesen sei. Das hätte bedeutet nachzuweisen, wer wann an wen die Aktien verkaufte und deren Eigentümer war.
Oberstaatsanwalt Fuchs, der in den fraglichen Jahren 2016 und 2017 die Cum-Ex-Ermittlungen im Fall Warburg führte, argumentierte in gleicher Weise. Fuchs stand damals in engem Austausch mit P., wie aus deren Vermerken hervorgeht und wie es Fuchs bestätigte.
Der Oberstaatsanwalt führte aus, er sei zwar überzeugt gewesen, dass die Cum-Ex-Geschäfte aus den Jahren 2007 bis 2011 strafbar waren, das sei aber erstmal zu beweisen gewesen. „Man musste nach meinem Dafürhalten zeigen, wo die Aktien herkommen und wo sie hinlaufen“, sagte Fuchs. Die sonstigen Indizien hätten als Beweis nicht gereicht.
Aufs Strafrecht gesetzt
„P. sagte mir irgendwann, dass sie Steuern für 2016 nicht festsetzen würde“, erinnerte sich Fuchs. „Ich hatte damit kein Problem.“ P.s Gründe seien „im Steuerrecht beheimatet“ gewesen, sie habe nicht einen strafrechtlich ausermittelten Sachverhalt zugrunde legen müssen.
Er selbst habe die Verjährung der Steuerforderungen als unproblematisch erachtet, weil er gewusst habe, dass der Bundesgesetzgeber ein Gesetz in Arbeit habe, das die Vermögensabschöpfung aus Straftaten erleichtern sollte und das tatsächlich zum 1. Juli 2017 auch in Kraft trat. „Ich wollte die Steuerforderungen in einem strafrechtlichen Verfahren geltend machen“, sagte Fuchs – und so sei es ja auch gekommen. Außerdem habe er vermeiden wollen, mit einer unausgereiften Entscheidung die Warburg-Bank in den Ruin zu treiben.
P. sollte, wie Fuchs aussagte, unter steuerlichen – nicht strafrechtlichen – Gesichtspunkten „autark“ entscheiden. „Ich habe mich nicht in der Position gesehen, Frau P. zu sagen, was sie machen soll.“
Die oberen Etagen der Hamburger Steuerbehörden sahen das offenbar anders. Die damalige Amtsleiterin in der Finanzbehörde Angela Nottelmann bat 2017 in einer E-Mail, doch bitte sicher zu stellen, dass die Telefonate mit Fuchs auch dokumentiert seien, um sich gegen etwaige Angriffe von außen wappnen zu können.
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