Russlands neue Militärstrategie: Unfreiwilliger Strategiewechsel

Die bisherigen Kriegsziele des Kreml sind unrealistisch. Notgedrungen orientiert die russische Armee sich nun anscheinend auf den Donbass um.

Wladimir Putin vor russischen Flaggen

Der russische Präsident bei einer Pressekonferenz Anfang Februar Foto: ap

Offensichtlich muss Russlands Präsident Wladimir Putin jetzt kleinere Brötchen backen. Da die Spezialoperation zur Demilitarisierung und Entnazifizierung in der Ukraine außer dem Verlust Tausender Menschenleben und sinnloser Zerstörung nicht die gewünschten Ergebnisse bringt, sollen sich die russischen Truppen auf den Donbass konzentrieren. Beziehungsweise das, was von dem demoralisierten Haufen noch übrig ist.

Nur gut, dass auch die von Georgien abtrünnige Region Südossetien ihre tapferen Kämpfer in den Kampf gegen den „Faschismus“ an der Seite Russlands schickt. Eine Wahl haben die Betroffenen eh nicht – jetzt, wo es darum geht, das letzte Aufgebot zu mobilisieren. Doch der scheinbare Sinneswandel des Kreml ist purer Not und dem Umstand geschuldet, zumindest mit einer Trophäe aus dem Feldzug zurückzukehren zu müssen, der dann an der Heimatfront als Sieg verkauft werden kann.

Nicht zufällig hat der Anführer der „Volksrepublik Luhansk“ die Möglichkeit eines Referendums über den Beitritt zur Russischen Föderation angekündigt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sein Kollege in der „Volksrepublik“ Donezk nachzieht. Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Der Machtanspruch bezieht sich auf das gesamte Gebiet der Regionen, die zum Teil noch unter ukrainischer Kontrolle sind.

Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie eine derartige Volksabstimmung ablaufen wird: Unter vorgehaltener Knarre, wie schon 2014 auf der Halbinsel Krim. „Freiheit, die ich meine“ – absurd angesichts der Tatsache, dass Menschen in Donezk und Luhansk in Foltergefängnissen einsitzen und zwangsevakuierte Geflüchtete aus der Ukraine dort jetzt einer Gehirnwäsche unterzogen werden.

Doch unabhängig davon, ob das Referendum stattfindet oder nicht: Die Ukrai­ne­r*in­nen werden sich nicht beugen, ergo wird der Kampf um Donezk und Luhansk weitergehen. Die Chancen, noch eine diplomatische Lösung zu erreichen, schwinden ebenfalls. Aber diese Option war für Russland ohnehin nie etwas anderes als ein Spiel auf Zeit.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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