Referendum über Beitritt zu Russland: Hupkonzert in Südossetien

Der Präsident von Südossetien, eine abtrünnige Region von Georgien, kündigt ein Referendum über den Beitritt zu Russland an. Dafür wird er gefeiert.

Wladimir Putin mit Anatoli Bibilow im Gespräch

Wladimir Putin bei einem Treffen mit dem südossetischen Präsidenten Anatoli Bibilow, 2019 Foto: Kremlin Pool/imago

BERLIN taz | Endlich haben junge Leute in Südossetien auch einmal etwas zu feiern: Laut hupend und mit wehenden russischen Fahnen fuhr am Mittwochabend ein Autokorso durch Zchinwali, die Hauptstadt der von der Südkaukasusrepublik Georgien abtrünnigen Region. Auf Videos waren jubelnde Menschen zu sehen, die die Straßen säumten.

Kurz zuvor hatte Präsident Anatoli Bibilow in einer Videobotschaft angekündigt, ein Referendum über den Beitritt Südossetiens zur Russischen Föderation abhalten zu wollen. „Ich glaube, dass die Vereinigung mit Russland unser strategisches Ziel, unser Weg und das Bestreben unserer Menschen ist. Wir werden zum nächstmöglichen Zeitpunkt entsprechende rechtliche Schritte einleiten. Die Republik Südossetien wird Teil ihrer historischen Heimat Russland sein.“

Russland habe immer alle, die ihm gegenüber loyal gewesen seien, verteidigt und gegen den Nazismus gestanden. „2014, als die Krim nach Hause zurück gekehrt ist, hatten auch wir die Möglichkeit, unseren jahrhundertealten Traum zu verwirklichen. Aber wir haben diese Gelegenheit verpasst. Diesen Fehler dürfen wir nicht wiederholen“, sagte Bibilow.

2008 hatte Russland nach seinem siegreichen Krieg gegen Georgien die Unabhängigkeit Südossetiens anerkannt – diesem Schritt folgten lediglich Nicaragua, Naura, Venezuela und Syrien. Seitdem ist Südossetien, wo 51.500 Menschen leben und russische Truppen stationiert sind, quasi ein Protektorat Moskaus.

Ohne Folgen

Bereits am 19. Januar 1992, zu Beginn des ersten südossetisch-georgischen Konflikts, wurde ein Unabhängigkeitsreferendum abgehalten, das jedoch folgenlos blieb. Einen weiteren Vorstoß in dieser Richtung gab es 2014, doch der verlief ebenfalls im Sande. Auch Moskau hatte sich bislang, was die Eingemeindung des Fleckens angeht, zurückhaltend gezeigt.

Doch das scheint sich jetzt geändert zu haben. „Die Menschen in Russland werden die Entscheidung des südossetischen Volkes unterstützen. Für uns ist das ein sehr wichtiger Moment, weil Russland bereits 2008 begonnen hat, sich dem Druck des vereinten Westens zu widersetzen. Dies ist ein historisches Ereignis“, sagte der Vize-Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Angelegenheiten der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), Artjom Turow.

Und der Duma-Abgeordnete Alexander Borodai meinte, Südossetien müssen sich keine Sorgen um die Reaktion Georgiens machen. Das Einzige, was Tiflis tun könne, sei, sich zu empören und zu protestieren.

Dass die Ankündigung von Bibilow gerade jetzt kommt, ist kein Zufall. Mittlerweile sollen auch südossetische Soldaten an Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine beteiligt sein, einige Opfer sind bereits zu beklagen. Angaben des Generalstabes der ukrainischen Streitkräfte zufolge sollen bis zu 1.200 russische und südosetische Soldaten der vierten Militärbasis in Südossetien in die Ukraine verlegt worden sein.

Kandidaten ausgeschlossen

Noch wichtiger für Bibliow dürfte jedoch noch ein anderes Ereignis sein: Am 10. April finden in Südossetien Präsidentenwahlen statt. Laut eines Berichts des Onlinenachrichtenportals OC-Media soll Bibilow, der bereits vor der Wahl 2017 mit dem Versprechen angetreten war, ein Unabhängigkeitsreferendum durchzuführen, jetzt mit dafür gesorgt haben, dass einigen seiner Mitbewerber die Kandidatur bei der Wahl verweigert wurde. Zudem stehen Vorwürfe im Raum, er sei bei einem schriftlichen Sprachtest in Ossetisch durchgefallen. Dessen Bestehen ist eine Voraussetzung, um das Präsidentenamt bekleiden zu können.

Dennoch dürften an der Wiederwahl Bibliows keine Zweifel bestehen. Für den Wunsch nach einer Vereinigung mit Russland wäre das ohnehin nicht relevant, da auch die anderen verbleibenden Kandidaten dieses Ziel anstreben.

Doch nicht alle stehen diesem Schritt positiv gegenüber. „Jeder Versuch, den ossetischen Staat zu zerstören, ist ein Akt des Staatsverrats, auch wenn unsere Verfassung in dieser Hinsicht flexibler ist als die abchasische“, schreibt der nordossetische Journalist und Redakteur des unabhängigen Nachrichtenportals Osnowa.news, Ruslan Trotow, auf seinem Telegram-Kanal „Freiheitsplatz“.

„Und in diesem Ossetien, dem eine glänzende Zukunft bevorsteht, sollte der dann ehemalige Präsident Anatoli Bibilow in einem kompromisslosen Strafverfahren angeklagt werden. Dort wird es, neben Versuchen, die Souveränität abzubauen, weitere hochkarätige Episoden geben – wie den Mord an Inal Dschhabiew.“

Der damals 28-Jährige war im August 2020 unter dem Vorwurf, eine Person entführt zu haben, in Zchinwali festgenommen worden und kurz darauf in der Untersuchungshaft verstorben. Verwandte hatten den Vorwurf erhoben, er sei zu Tode gefoltert worden.

Anders als Südossetien hat es die zweite, von Tiflis abtrünnige Republik, Abchasien, mit einem Anschluss nicht eilig. Russland sei zwar ein strategischer Partner und mit Abchachsien eng verbunden, die Frage eines Beitritts zur Russischen Föderation stehe jedoch nicht auf der Tagesordnung, zitiert die russische Nachrichtenagentur Interfax den Sprecher des abchasischen Parlaments Waleri Kwatschija. Die Verfassung könne nicht geändert werden, vor allem dann nicht, wenn es um die Zerstörung der Unabhängigkeit der Republik gehe.

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