Ukraine-Kriegsflüchtlinge in Deutschland: Bund & Länder einig bei Verteilung

Bund und Länder wollen Geflüchtete aus der Ukraine im Bundesgebiet verteilen. Dadurch entlaste man auch die vielen freiwilligen Helfer*innen.

Eine Frau steigt aus dem Zug und hält eine Transportbox für Tiere in der Hand

Tausende Menschen aus der Ukraine kommen täglich in Berlin an Foto: Jens Schicke/imago

BERLIN taz | Bund und Länder haben vereinbart, aus der Ukraine geflüchtete Menschen im Bundesgebiet zu verteilen. Es führen „viele Busse und es fahren Züge, um insbesondere Berlin und Brandenburg, aber auch Städte wie Hamburg und München zu entlasten und Geflüchtete in andere Bundesländer zu bringen“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Freitagmittag nach einem Gespräch mit der Innenministerkonferenz und den kommunalen Spitzenverbänden.

Mehr als 110.000 Kriegsflüchtlinge sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums (BMI) seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine bislang nach Deutschland gekommen. Diejenigen, die nicht privat bei Familie oder Bekannten untergebracht und versorgt würden, sollten nun verstärkt gemäß dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt werden, sagte Faeser.

Der Königsteiner Schlüssel regelt generell die Aufteilung der Länderanteile an gemeinsamen Finanzierungen und beruht zu zwei Drittel auf dem Steueraufkommen und zu einem Drittel auf der Bevölkerungszahl. Bevölkerungsreiche und finanzstarke Bundesländer nehmen demgemäß mehr Menschen auf als bevölkerungsarme und finanzschwache Länder.

Faeser bedankte sich für die „Menschlichkeit und die überwältigende Hilfsbereitschaft in Deutschland, aber auch in ganz Europa“. Alle EU-Staaten hätten sich gemeinsam dazu bekannt, „Leben zu retten und Geflüchtete aufzunehmen“ – nun gehe es um die „bestmögliche Versorgung, Unterbringung und Verteilung – sowohl innerhalb Deutschlands, als auch innerhalb der EU“.

Bundesrat fordert Unterstützung

Länder und Kommunen hatten in den vergangenen Tagen an den Bund appelliert und gefordert, dieser müsse sich um die Verteilung der Menschen kümmern und finanzielle Unterstützung leisten. Städte und Gemeinde dürften nicht auf den Kosten für die Versorgung der Menschen „sitzen bleiben“, hatte etwa Helmut Dedy gesagt, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags.

Im Bundesrat bekräftigten die Länder am Freitag ihre Forderung nach Unterstützung an den Bund. Es sei „unabdingbar, dass die Bundesregierung die Länder mit personellen und finanziellen Ressourcen unterstützt, kurzfristig Sprach- und Integrationskurse angemessen aufstockt und gegebenenfalls zügig Mittel aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union beantragt“, heißt es unter anderem in der auf Initiative Brandenburgs gefassten Entschließung.

Der Bund unterstütze bereits „massiv“ mit Hel­fe­r*in­nen des Technischen Hilfswerks und einem verstärkten Einsatz von Bundespolizei und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, so Faeser. Auch sei man dabei, „ganz schnell zusätzliche Unterkünfte in Bundesimmobilien zu schaffen“.

Die Bundesinnenministerin betonte, es sei auch wichtig, den Menschen schnell Zugang zu Sozialleistungen, medizinischer Versorgung und zum Arbeitsmarkt zu verschaffen. Kinder bräuchten Betreuungsplätze in Kitas und Schulen. Mit all diesen Maßnahmen entlaste man auch die „vielen Menschen, die nun mit großartiger Hilfsbereitschaft privat Geflüchtete aufnehmen.“

Freiwillige entlasten

Der Deutsche Landkreistag begrüßte Faesers Ausführungen. „Bislang hat sich die Verteilung insbesondere nach freiwilligen Aufnahmeangeboten der Länder wie der vielen engagierten Bürger gerichtet“, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Kay Ruge der taz.

Man habe im „sehr konstruktiven Gespräch“ mit der Ministerin unter anderem eine verbesserte Ausstattung der Ausländerbehörden angemahnt. Auch müssten die finanziellen Folgen der Fluchtbewegungen noch mit Bund und Ländern geregelt werden. „Wir sind zuversichtlich, dass es wie in der Vergangenheit gelingt, die Kommunen angemessen zu entlasten“, sagte Ruge.

„Die Städte tun alles, um geflüchtete Menschen aus der Ukraine aufzunehmen. Solidarität ist und bleibt angesichts dieses entsetzlichen Krieges das Gebot der Stunde“, sagte Städtetags-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der taz. Die Aussagen Faesers gingen „in die richtige Richtung“ – nun müssten „rasch konkrete Taten folgen“. Dedy forderte einen Flüchtlingsgipfel von Bund, Ländern und Kommunen, um eine bessere Verteilung und Registrierung der Menschen zu besprechen. „Und wir brauchen unbedingt auch klare Zusagen, uns Kosten zu erstatten.“

In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Diskussionen zwischen Bund, Ländern und Kommunen gegeben über die Frage, welche Ebene sich wie stark an den Kosten für die Integration von Geflüchteten beteiligt. 2019 etwa hatte es laute Proteste gegen die Pläne des damaligen Finanzministers und heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) gegeben, die Beteiligung des Bundes deutlich zu kürzen.

Die seit Ende 2021 amtierende Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP hat im Koalitionsvertrag vereinbart, die Beteiligung des Bundes an den flüchtlingsbezogenen Kosten der Länder und Kommunen zu verstetigen. Obwohl die Aufnahme und Integration von Geflüchteten grundsätzlich Aufgabe der Länder ist, übernimmt der Bund seit 2015 einen Teil der Kosten. SPD, Grüne und FDP wollen, dass sich der Bund auch zukünftig und dauerhaft beteiligt.

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