Verwaltungsgericht Köln zur AfD: AfD darf überwacht werden

Der Verfassungsschutz hat die AfD als extremistischen „Verdachtsfall“ eingestuft. Das Verwaltungsgericht Köln hat das nun gebilligt.

Tni Chrupalla und wietere Männer betretet den Gerichtsaal

Tino Chrupalla, Vorsitzender der Afd am Dienstag vor dem Prozess am Kölner Verwaltungsgericht Foto: Federico Gambarini/dpa

KÖLN taz | Der Verfassungsschutz darf die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen. Das entschied am Dienstagabend das Verwaltungsgericht Köln nach zehnstündiger Verhandlung. Auch der besonders radikale „Flügel“ um Björn Höcke sowie die AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) durften als Verdachtsfall bewertet werden.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte in den letzten zwei Jahren auf über tausend Seiten aufgelistet, warum es „tatsächliche Anhaltspunkte“ sieht, dass die AfD rechtsextremistisch ist. BfV-Anwalt Wolfgang Roth argumentierte vor Gericht, dass große Teile der AfD ein ethnisch homogenes deutsches Volk anstreben, zu dem Migranten und eingebürgerte Deutsche (so genannte „Passdeutsche“) von vornherein nicht gehören können. Wie Rechtextremisten sprächen AfD-Politiker vom drohenden „Volkstod“ oder einer geplanten „Umvolkung“ durch Zuwanderung.

Der jüngst ausgetretene langjährige AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen wurde vom Verfassungsschutz immer wieder als Kronzeuge für den wachsenden Einfluss des radikalen „Flügels“ in der AfD angeführt. Die Partei warf Meuthen dagegen vor, er wolle nur der AfD schaden und eine neue Partei gründen.

Das Gericht unter dem Vorsitzenden Richter Michael Huschens hielt die Argumentation des Verfassungsschutzes für plausibel. Das Bundesamt habe seine Vorwürfe ausreichend belegt und belastende Äußerungen nicht aus dem Zusammenhang gerissen.

Die Einstufung als Verdachtsfall erfordere keine sichere Gefahr, so Richter Huschens, es genüge ein Gefahrverdacht. „Wenn es im Erdreich nach Öl riecht, ist eine Probebohrung erlaubt“.

Zwar seien viele der monierten AfD-Äußerungen von der Meinungsfreiheit gedeckt und als solche zulässig. Bei Parteifunktionären werde aber immer unterstellt, dass diese ihre Vorstellungen auch umsetzen wollten, so Richter Huschens.

Telefone von AfD-Politiker:innen dürfen abgehört werden

Konkret darf die AfD nun mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht werden, das heißt, der Verfassungsschutz darf Telefone abhören, E-Mails mitlesen und in der Partei Spitzel anwerben. Auch eine Erwähnung im Verfassungsschutzbericht ist nun möglich.

Die AfD kann noch Berufung beim Oberverwaltungsgericht Münster einlegen. Die AfD-Spitze will das Kölner Urteil aber zunächst prüfen. Die Überwachung kann auch nicht sofort beginnen. Im Rahmen eines Eilverfahrens hatte das Kölner Gericht im März 2021 den Verfassungsschutz vorläufig zum Stillhalten verpflichtet. Das Gericht wolle nun dieses Eilverfahren „zeitnah“ abschließen, sagte Richter Huschens. Dann wird es ernst für die AfD.

Die Jugendorganisation JA wurde vom Verfassungsschutz schon 2019 als Verdachtsfall eingestuft. Die JA hatte ihre völkische und ausländerfeindliche Argumentation daraufhin zwar etwas gemäßigt, aber nicht genug, so das Gericht. Die JA bleibt damit Verdachtsfall. Richter Huschens nannte die JA-Entscheidung den „eindeutigsten Fall“.

Auch der „Flügel“ um den Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke wurde vom Verfassungsschutz 2019 als Verdachtsfall eingestuft, im März 2020 sogar als gesichert rechtsextremistische Bestrebung. Auf Druck des AfD-Bundesvorstands löste sich der Flügel daraufhin im April 2020 formal auf.

Flügel darf nicht als rechtsextrem bezeichnet werden

Das Verwaltungsgericht billigte nun die ursprüngliche Einstufung als Verdachtsfall. Der Flügel darf heute aber nicht als rechtsextreme Bestrebung bewertet werden, so das Gericht, weil seine Fortexistenz fraglich ist. Auch der Verfassungsschutz konnte keine sicheren Erkenntnisse vorlegen, dass sich Höcke und Co. weiter als eigene Gruppierung organisieren. Hier erzielte die AfD einen Teilerfolg, der sich schon früh in der Verhandlung angedeutet hatte.

Außerdem darf der Verfassungsschutz nicht mehr behaupten, der Flügel habe bis zu seiner formalen Auflösung im April 2020 rund 7.000 Mitglieder gehabt. Hier genüge es nicht, „Potenziale“ des Flügels zu schätzen. Das Bundesamt hatte sich unter anderem auf Erklärungen von Björn Höcke berufen, wonach mindestens ein Drittel der AfD-Mitglieder seinem „Flügel“ zuzurechnen seien.

Die Beobachtung der AfD ist laut Gesetz zeitlich nicht befristet. Solange in einer Partei radikalere und gemäßigtere Kräfte um den Kurs ringen, darf sich der Verfassungsschutz ein genaues Bild verschaffen, so das Gericht.

Im Rahmen der Verhandlung hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz zugesichert, dass es derzeit nicht plane, die AfD als gesichert rechtsextreme Bestrebung einzustufen. Die AfD zog daraufhin einen Antrag zurück, der auf die Feststellung abzielte, dass eine solche Einstufung rechtswidrig wäre.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.