Großprojekt in der Quarantäne: Die Coronapyramide

In der Quarantäne verdonnert mich meine Frau Eminanim, die komplette Wohnung neu zu tapezieren. Diesen Angriff scheint sie vorbereitet zu haben.

Farbrollen hinterlassen bunte Spuren auf einer weißen Wand

Quarantäneblues: Plötzlich soll die ganze Wohnung umgestaltet werden Foto: David Pisnoy/Unsplash

Bei unserer freiwilligen Quarantäne vergeht die Zeit mehr als schleppend. Meine Frau Eminanim stellt das Wohnzimmer jeden Tag neu auf den Kopf und verschiebt die Möbel immer wieder hin und her. Trotzdem fällt ihr vor lauter Langeweile die Decke auf den Kopf.

Dann hat sie die verhängnisvolle Idee, dass wir die komplette Wohnung hübsch tapezieren und streichen sollen, wo wir doch soooo viel Zeit haben. „Wenn wir es selber machen, wird es aber niemals hübsch“, protestiere ich erschrocken.

„Osman, siehst du denn nicht, dass es hier wie ein Saustall aussieht?“, ruft sie und schleppt plötzlich unzählige Farbeimer, Pinsel, Farbroller und eine Leiter heran, die sie für ihren Spontanangriff heimlich gehortet haben muss. „Hoppla, wie kommen die denn hierher?“, wundere ich mich.

Mein Sohn Mehmet ist viel schlauer als ich und flüchtet sofort zu seiner Freundin, als er den ersten Farbeimer erblickt. Weil ich keine Freundin habe, zu der ich flüchten kann, werde ich gezwungen die ganzen Möbel in der Mitte des Wohnzimmers zu einer großen Pyramide zu stapeln und meine Frau reißt energisch alle Tapeten von den Wänden. „Den Rest musst du abkratzen, Osman“, stöhnt sie.

Hausarbeit ist gefährlicher als Corona

Vom Wändeabkratzen bekomme ich aber höllisch laute Hustenanfälle, obwohl ich meine hübsche Corona-Gesichtsmaske trage. Gegen Corona hilft meine Maske, gegen Hausstaub nicht. Was wohl heißt, dass Hausarbeit definitiv viel gefährlicher ist als Corona.

Daraufhin fordern mich die alarmierten Hausbewohner auf, mit meinem Coronahusten sofort hier auszuziehen, oder wenigstens ins Krankenhaus umzuziehen. „Das ist doch nur Hausstauballergie“, keuche ich. „Das kann ja jeder behaupten“, antworten sie übers Telefon.

In meiner Not rufe ich den Maler Hüseyin an, aber er geht nicht mal ans Telefon. Als ob ich durch das Telefon meine Coronaviren transferieren könnte, was unmöglich ist, weil ich gar keine Coronaviren habe.

Die anderen Maler, dich ich anrufe, legen sofort auf, sobald sie meinen Namen hören. Die Maler und Tapezierer halten offensichtlich besser zueinander und sind klarer einer Meinung als unsere Regierungsmitglieder in der Coronafrage – oder überhaupt in einer Frage.

Hatice erklimmt die Pyramide

„Eminanim, wenn ich renoviere, muss ich husten und werde deshalb raus gejagt. Du musst renovieren“, sage ich. „Ich denk’ nicht dran! Warum wolltest du in dieser Coronazeit überhaupt damit anfangen?“, schimpft sie.

„Wie bitte? Das war doch deine Idee! Während der Coronazeit freiwillig alle Tapeten abzureißen, ist für mich eine derart entfernte Vorstellung, als würde ich ohne einen Fernseher auf dem Mars leben wollen!“

In dem Moment kommt mir zum Glück meine kleine Tochter Hatice zur Hilfe, die auf die hohe Möbel-Pyramide geklettert war und jetzt laut herunterkracht. Wir müssen schnell zum Notarzt, damit ihre Platzwunde mit mindestens fünf Stichen genäht werden kann.

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