Falsche Ehrung für Pferdesportlerin: Auf dem Rücken der Tiere

Die niedersächsische Sportlerin des Jahres ist eine Vielseitigkeitsreiterin. Schon die Nominierung war ein Fehler. Tierschutz war offenbar egal.

Julia Krajewski küsst ihre Goldmedaille

Tokio 2020: Reiterin Julia Krajewski holte Gold bei der Olympiade Foto: Friso Gentsch/dpa

Wenn man wollte, könnte man über Julia Krajewski eine sehr empowernde Geschichte erzählen: Als erste Frau hat sie bei den Olympischen Spielen in Tokio eine Einzel-Goldmedaille im Vielseitigkeitsreiten gewonnen. Nur folgerichtig also, dass sie mit einer solchen Leistung auch Niedersachsens Sportlerin des Jahres geworden ist? Mitnichten. Schon ihre Nominierung war ein Fehler. Der niedersächsische Landessportbund zeigt damit, wie egal dort allen Verantwortlichen die in Tokio entbrannte Debatte um den Tierschutz im Reitsport ist.

Zur Erinnerung: Die deutsche Reiterin Annika Schleu hatte im Olympischen Fünfkampf das ihr zugeloste Pferd heulend mit ihrer Gerte geschlagen, während ihre Trainerin ihr „Hau richtig drauf“ zurief. Es folgten ein Shitstorm und eine international geführte Debatte. Der Sportverband Union Internationale de Pentathlon Moderne verkündete dann im November, angeblich ganz unabhängig von den aktuellen Ereignissen, dass der Moderne Fünfkampf bei Olympia künftig ohne das Reiten ausgetragen werden solle.

Vielseitigkeitsreiten ist nicht Fünfkampf. Aber auch dieser Sport – bei dem Rei­te­r*in­nen immerhin mit dem eigenen Pferd antreten – steht schon ewig in der Kritik. Das Verletzungsrisiko für Mensch und Tier ist hoch. Daran ändert nichts, dass es heute Airbag-Westen und Hindernisse gibt, die bei einem Aufprall umklappen sollen, anstatt als feste Stolperfalle zu fungieren.

Zur Vielseitigkeit gehören drei Disziplinen: die hochgradig unnatürlichen Bewegungen der Dressur, das Springen und der Geländeritt. Dabei müssen die Tiere ihren Menschen blind vertrauen: Sie springen über Hindernisse in die Tiefe, ohne den Grund einschätzen zu können. Verletzen sie sich, bedeutet das in vielen Fällen den Tod.

Totes Pferd bei Olympia

Auch das gab es in Tokio: Das Schweizer Pferd mit dem absurden Namen „Jet Set“ kam nach dem Sprung über ein Wasserhindernis falsch auf und zog sich einen Bänderriss zu. Der 14-jährige Wallach wurde noch in Tokio eingeschläfert. Um es mit den Worten des Komikers Aurel Mertz zu sagen: „Der Gaul kann sich nicht beklagen. Welches andere Schweizer Provinzpferd kann von sich behaupten, in Tokyo gestorben zu sein?“

Natürlich sind solche Unfälle weder lustig noch einfach Pech. Die Geländeritte an sich sind das Problem und gehören abgeschafft. Sport­le­r*in­nen suchen es sich aus, das große Risiko einzugehen. Tiere können das nicht.

Pferdeland-Oberhaupt Stephan Weil (SPD) hat die Wahl zur Sport­le­r*in des Jahres vermutlich als netten Öffentlichkeitstermin gesehen. Eine solche Wahl aber ist politisch. Eine Vielseitigkeitsreiterin darf nach diesen Olympischen Spielen – unabhängig von ihrer Leistung – nicht Sportlerin des Jahres werden. Dann schon eher ihr Pferd.

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War bis Dezember 2022 Redaktionsleiterin der taz nord. Davor Niedersachsen Korrespondentin der taz. Schwerpunkte sind Themen wie Asyl und Integration, Landwirtschaft und Tierschutz.

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