Abgesagte WM der Distanzreiter: Pferde in der Warteschleife

Nach der kurzfristig abgesagten WM der Distanzreiter in Italien stehen die Marathonläufer unter den Pferden auf der Koppel, die Reiter sind ratlos.

Mehrere Menschen stehen um ein Pferd herum

Bei den Weltreiterspielen wird dieses Pferd am Rande der Langstrecke gekühlt und begutachtet Foto: imago/Rau

Aid Du Florival trägt keine Zöpfchen, und sie springt auch nicht über kleintransportergroße Hindernisse. Die 15jährige Schimmelstute gehört zu den Marathonläufern unter den Pferden. Mit ihrer Reiterin Ursula Klingbeil hat sie sich für die Weltmeisterschaften der Distanzreiter qualifiziert – und wäre an diesem Wochenende eigentlich mit dem deutschen Team ins italienische Verona gereist. Dort sollte der Wettbewerb ausgetragen werden, 160 Kilometer über Stock und Stein, meist im Trab oder Galopp. Stattdessen steht die Stute auf der Koppel, und ihre Reiterin ist ratlos und sauer.

Ende September hatte der Weltreiterverband FEI die Weltmeisterschaften wegen Sicherheitsbedenken auf der Strecke kurzfristig abgesagt und zunächst auf unbekannt verschoben. Nun müssen die Rei­te­r:in­nen ihre Pferde über einen langen Zeitraum fit halten. „Die FEI hätte das früher entscheiden können und müssen“, sagt die Tierärztin Klingbeil, „Informationen darüber, dass es Probleme mit der Strecke gab, lagen schon vor einem halben Jahr vor“.

„Für die Reiter war das natürlich erstmal eine mittelschwere Katas-trophe“, sagt Nico Hörmann, bei der deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) verantwortlich für den Distanzsport. „Sie haben sich über einen langen Zeitraum dafür qualifiziert, haben Zeit und Geld investiert, und stehen nun mit leeren Händen da“, sagt Hörmann. Gespannt schauen sie nun nach Lausanne, zum Sitz der Internationalen Reiterlichen Vereinigung FEI.

Im November wird die Organisation entscheiden, wann und wo die Weltmeisterschaften im nächsten Jahr stattfinden. Als Ausrichter beworben haben sich sechs Städte, darunter Lissabon und Punta del Este in Uruguay. Den Wettbewerb auszurichten ist keine Kleinigkeit. Immerhin muss der Veranstalter eine Strecke über 160 Kilometer zur Verfügung stellen, mit Wegen, die so breit sind, dass Reiter darauf galoppieren und sich auch überholen können. Wegerechte sind zu beachten, Straßensperrungen nötig.

Problematische Bewerbung

Aus deutscher Sicht problematisch ist die Bewerbung Bouthibs aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Für Wettkämpfe in den Emiraten haben FN und Deutsches Olympisches Komitee den Rei­te­r:in­nen eigentlich ein Startverbot erteilt. Die Region ist dafür in Verruf geraten, dass dort „eine andere Auffassung von Tierschutz besteht als in Europa“, sagt Hörmann. Entsprechend haben sich die Rei­te­r:in­nen dafür ausgesprochen, dass die Weltmeisterschaften in Europa stattfinden.

Für die WM muss der Veranstalter eine Strecke über 160 Kilometer zur Verfügung stellen

Eigentlich ist die Distanzreiterei – das möglichst schnelle Reiten über sehr lange Strecken – die ursprünglichste Art, Sport mit Pferden zu betreiben. Trotzdem gibt es immer wieder Ärger mit der Disziplin. Die Weltmeisterschaften 2018 im amerikanischen Tyron versanken im Chaos und wurden abgebrochen. Nach einem viel zu schnellen Ritt bei schwülheißem Wetter mussten 53 von 94 Pferden anschließend in einer Klinik behandelt werden, eines starb später an Nierenversagen. Dabei sind die Regeln im Distanzsport streng.

„Die Pferde werden engmaschig tierärztlich begleitet“, sagt Maren Hellige, Fachtierärztin für Pferde und Vizepräsidentin der Gesellschaft für Pferdemedizin. „Regelmäßig werden vor, während und nach dem Ritt Atmung, Herzfrequenz und Gangbild überprüft“, sagt Hellige, „der Tierarzt allein kann ein Pferd aus dem Wettkampf nehmen, wenn es Hinweise etwa auf Lahmheit oder Überbelastung gibt“. Würden Dopingvorschriften eingehalten und der Ritt fände bei angemessener Witterung und guten Bodenverhältnissen statt, könne ein gut trainiertes Pferd 160 Kilometer zurücklegen, ohne Schaden zu nehmen. „Die Distanzreiter kommen dem Bewegungsdrang von Pferden schon eher entgegen als Reiter, die ihre Pferde 23 Stunden am Tag in die Box stellen“, so Hellige.

Klingbeil wird also die Entscheidung in Lausanne abwarten und dann entscheiden, ob sie teilnimmt. Erneut qualifizieren muss sie sich nicht, der Mannschaftstierarzt überprüft lediglich, ob die Pferde des Teams fit genug für die Anstrengung sind. Bis dahin läuft Aid Du Florival auf der Weide und wird täglich in der Führanlage bewegt. „Es ist jetzt alles durcheinander geraten und wir fangen mit dem Trainingsplan von vorne an“, sagt Hörmann. Am Ende sei die Entscheidung der FEI aber richtig gewesen – Sicherheit gehe vor.

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