Krieg in der Ukraine: Düstere Perspektiven

Russische Zustände wollen Putin und Lawrow in der Ukraine einführen. Ob die Bevölkerung da mitspielt, steht auf einem anderen Blatt.

Ukrainische Freiwillige trainieren mit Holzgewehren

Anfang Februar in Kiew, Mitglieder einer freiwilligen Militäreinheit beim Training Foto: Efrem Lukatsky/dpa

Es sind zum Zeitpunkt des Redak­tions­schlusses wohl nur noch wenige Stunden, bis Kiew an die russischen Truppen fällt und die Ukraine, die der militärischen Übermacht des Nachbarn erwartungsgemäß nichts entgegenzusetzen hat, in die Knie gezwungen wird.

Angesichts der unvermeidlichen Kapitulation sollten die ukrainische Armee und die vielen jungen Freiwilligen, die für die Verteidigung ihrer Heimat zum Äußersten bereit sind, die Waffen strecken. Wozu noch einen sinnlosen Heldentod fürs Vaterland sterben, wo es jetzt darum gehen muss, weitere Opfer zu vermeiden. Davon gibt es auch unter der Zivilbevölkerung mehr als genug.

Der nahende „Endsieg“ Russlands löste auch Russlands Außenminister Sergei Lawrow die Zunge. Plötzlich will Moskau wieder reden – jetzt, da die „Aktion der Entmilitarisierung und Entnazifizierung“ der Ukraine vor einem erfolgreichen Abschluss steht. Worüber geredet werden soll – nun ja. Doch auch ein möglicher Gesprächsort scheint festzustehen: die belarussische Hauptstadt Minsk. Dort durfte sich Staatschef Alexander Lukaschenko, in Wahrheit ein armseliger Vasall Putins auf Abruf, bekanntlich ja schon 2014/15 als Vermittler international und publikumswirksam in Szene setzen.

Laut Lawrow würden die russischen Truppen die geknechteten Ukrai­ne­r*in­nen von Unterdrückung befreien. Was Blödsinn ist. Tatsächlich fängt die Unterdrückung jetzt erst an. Ein mögliches Szenario wäre, die demokratisch gewählte Regierung in Kiew, alias faschistische Junta, zu stürzen, die nach Moskauer Lesart illegitimerweise im Amt ist. Das dürfte in einem Handstreich zu erledigen sein.

Bevorzugtes Hassobjekt dabei ist Präsident Wolodimir Selenski, der das Problem hat, durch freie und faire Wahlen im Jahr 2019 auf seinen Posten gekommen zu sein. Er kann froh sein, wenn er jetzt mit seinem Leben davonkommt. Dem dürfte die Inthronisierung eines moskautreuen Statthalters folgen, der keine Widerworte gibt und sich von europäischen und euroatlantischen Ambitionen endgültig verabschiedet.

Aber vielleicht darf Selenski auch noch ein bisschen weiterregieren, sollte Moskau der Meinung sein, ihm (mit Waffengewalt) das Rückgrat gebrochen zu haben. Doch was wird aus den Ukrainer*innen, über die Russlands Kriegszug unermessliches Leid gebracht hat?

Besonders Ver­tre­te­r*in­nen jüngerer Generationen, die die Orange Revolution 2004 und/oder die „Revolution der Würde“ 2013/14 miterlebt haben, wissen, was es bedeutet, ein Stück Freiheit zu atmen. Sie werden sich dem Moskauer Diktat nicht kampflos ergeben. Wladimir Putin mag die Uhren zurückdrehen wollen. Doch in der Ukraine ist es dafür schon längst zu spät.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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