Kreislaufwirtschaft in Afrika: Recycling als Jobmotor

Bisher leben die Ärmsten auf dem afrikanischen Kontinent vom Müll. Ruanda führt nun eine Allianz an, um daraus ein Business zu machen.

Frauen und Männer reinigen an einem Tisch alte Plastikfolien

Ruanda: Folien aus dem Müll werden gereinigt, bevor sie zu Plastikgranulat weiterverarbeitet werden Foto: Imago

KAMPALA taz | Ruanda ist so etwas wie the Länd Afrikas. Es gibt hier Kehrtage. Der Effekt ist in der Hauptstadt Kigali auf den ersten Blick sichtbar: Die Bürgersteige und Straßenränder sind im Vergleich zu anderen Ländern sauber, die Wasserabflüsse frei, an jeder Straßenecke hängen Mülleimer, die regelmäßig geleert werden.

Es ist deshalb nur folgerichtig, dass Ruanda Gastgeber für das Weltforum zur Kreislaufwirtschaft (WCEF) sein wird, das dieses Jahr zum ersten Mal in Afrika stattfindet. Das wurde am Rande des Europäisch-Afrikanischen Wirtschaftsforums verkündet. Das WCEF ist so etwas wie das Davos der Branche. Auf dem jährlich stattfindenden Gipfel treffen sich politische Entscheidungsträger, Wirtschaftsakteure und Experten, um Innovationen in der Recyclingwirtschaft zu diskutieren.

Bislang war Kreislaufwirtschaft eher ein Aspekt der industrialisierten Länder. Dass nun Ruanda das Thema auf die afrikanische Agenda hievt, ist kein Zufall. Das kleine zentralafrikanische Land ist auf dem Kontinent führend hinsichtlich Abfallvermeidung und Recycling. Seit 2008 gilt dort ein Totalverbot für Polyethylen-Plastiktüten. Und 2016 war Ruanda federführend, gemeinsam mit Südafrika und Nigeria, die Afrikanische Allianz zur Kreislaufwirtschaft (ACEA) zu gründen.

Die Europäische Union (EU) steht dabei neben der UN-Umweltagentur (UNEP) quasi als Patin zur Seite. In ihrem 2020 verabschiedeten „Action Plan“ für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft hat sich die EU-Kommission vorgenommen, Afrika beim Aufbau eines solchen Sektors zu unterstützen: Einerseits will sie den Export von Einwegmaterialien nach Afrika reduzieren, andererseits den Ländern beim Aufbau eines funktionierenden Recyclingsystems helfen. Die Finanzierung spielt dabei eine Schlüsselrolle.

Hintergedanke ist, dass Recycling nicht nur die Umwelt schont, sondern auch Arbeitsplätze schafft. Laut der US-Umweltschutzbehörde entstehen für je 100.000 Tonnen gebrauchter Güter lediglich sechs Arbeitsplätze, wenn sie auf einer Deponie entsorgt werden; werden sie recycelt, sind es 36. Kommt auch noch Reparatur und Wiederverwendung hinzu, entstünden 296 Arbeitsplätze.

Recycling funktioniert bisher informell

Es sind Jobs, die dringend gebraucht werden. Laut dem UN-Weltbevölkerungsfonds (UNPF) leben auf dem afrikanischen Kontinent rund 200 Millionen Jugendliche im Alter zwischen 14 und 24 Jahren, die alle einen Job suchen. Die Zahl wird sich voraussichtlich bis 2045 verdoppeln. Um die andauernde Migration nach Europa zu verhindern, bemüht sich die EU seit der sogenannten Flüchtlingskrise 2015, verstärkt Arbeitsplätze in Afrika zu schaffen, damit die jungen Menschen zu Hause bleiben.

Bislang hat die Kreislaufwirtschaft in Afrika zwei Gesichter: Formell steckt sie noch in den Kinderschuhen. Über die Hälfte der Haushaltsabfälle landet nach Angaben des UN-Umweltprogramms auf einer Deponie. UNEP schätzt, dass von diesen Abfällen bis zu drei Viertel wiederverwertet werden könnten – tatsächlich seien es nur 4 Prozent. So weit die offiziellen Zahlen.

Die Wahrheit sieht etwas anders aus: Auf fast allen afrikanischen Mülldeponien schuften unzählige Kinder und durchsuchen den Unrat nach wiederverwertbaren Bestandteilen. Vielleicht das bekannteste Beispiel sind die jungen Elektroschrottsammler, die sich mit Schwermetallen vergiften. Weniger bekannt sind die Kinder, die den Unrat nach Schrauben, Kabeln oder Plastikflaschen durchwühlen, um daraus neue Sachen zu basteln. Afrikas Kreislaufwirtschaft ist eigentlich fortgeschritten, doch nur informell. Sprich: Sie schafft Einkommen, aber keine offiziellen Jobs.

Vorreiter Ruanda

Das soll sich nun ändern, so der Plan von ACEA. Sie will die Regierungen dazu bringen, viele Wegwerfprodukte gesetzlich zu verbieten: Plastikstrohhalme, Pappbecher, Polyethylen-Tüten. Gleichzeitig sollen sie selbst in eine Recyclingindustrie investieren – von der Müllverbrennungsanlage bis hin zur Wiederverwertung ganzer Reststoffe. Der erste Fonds, den ACEA mit zehn afrikanischen Mitgliedsländern aufgesetzt hat, enthält derzeit 4 Millionen Euro. Damit sollen innovative Projekte finanziert werden. ACEA nimmt auch die großen Player des Plastikmülls in Verantwortung: Coca-Cola, Unilever, Nestlé sollen mithelfen, ihre PET-Flaschen wiederverwertbar zu machen.

Ruanda geht dabei mit Beispielen voran. Der Müll Kigalis landet außerhalb der Stadt auf einer Mülldeponie, die bereits mit neuesten Konzepten errichtet wurde, um Mülltrennung zu erlauben. Vor zwei Jahren wurde vor den Toren der Hauptstadt auch eine Firma aufgemacht, um Elektroschrott zu recyceln. „Eviroserve“ ist eine Public-Private-Partnerschaft zwischen Ruandas Regierung und einem Unternehmen aus Dubai. Bis zu 10.000 Tonnen Elektroschrott werden hier wiederverwertet: Alte Handys werden repariert, Computer und Laptops überholt. Die Rechner werden preiswert an Schulen abgegeben, so spart sich die Regierung am Ende Geld bei der Anschaffung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.