Veranstaltungsreihe in Hamburg: Gespräche übers Sprechen

Ist der Liberalismus in Not? Eine Hamburger Veranstaltungsreihe thematisiert Streitkultur, Meinungs- und andere Freiheiten.

Teilnehmende einer Demonstration halten ein Plakat mit der Aufschrift "Meinungsfreiheit Ja, Faktenfreiheit Nein" in die Höhe

Meinungs- ist nicht Faktenfreiheit: Corona und seine Bekämpfung haben viel Dissens zutage befördert Foto: Georg Wendt/dpa

HAMBURG taz | Darf man bestimmte Sachen neuerdings nicht mehr sagen? Wenn ja: Wer darf es nicht – und wer verhindert es? Oder sind Diskurse vielmehr vielfältiger geworden, weil nun auch Stimmen vertreten sind, die vorher kein Gehör gefunden haben? Und empören wir uns über eingeschränkte Meinungsfreiheit, wenn sie uns selbst betrifft, tolerieren solche Einschränkung, fordern sie vielleicht sogar, bei anderen Ansichten?

Um Fragen wie diese herum haben die Hamburger Körber-Stiftung und das dortige Literaturhaus eine Veranstaltungsreihe konzipiert: „Im Anfang war das Wort. Sprache und Öffentlichkeit heute“, so sind sie überschrieben, die insgesamt vier „Gespräche über den Wandel liberaler Gesprächskulturen“. Den Anfang bildete Ende Januar ein Abend zur „Gegenrede: Wozu braucht es Streitkultur?“ mit dem Publizisten Michel Friedman und der Philosophin Marie-Luisa Frick.

Auch wenn der Begriff Streit im Titel vorkam, zeigte sich dabei viel Konsens – eine interessante Veranstaltung war es dennoch. Insbesondere die Bedeutung entsprechender Bildung hoben die Diskutierenden hervor: Essenziell für eine konstruktive Streitkultur sei die, sagte Friedman, weshalb er die Einführung des Schulfachs „Dialogisches Gespräch und Streit“ fordert. Auch für Frick, die in Innsbruck unter anderem zur Ethik und der philosophischen Ideengeschichte forscht, steht fest: Ein gerechter Diskurs erfordert es, argumentative Fähigkeiten zu befördern. Denn andernfalls beteiligten sich viele Menschen gar nicht erst an Debatten. Im Ergebnis würde eine Demokratie zu einer Elitenveranstaltung.

Jeder Streit habe Voraussetzungen, um auch Erkenntnisgewinn zu ermöglichen, so Friedman: Dazu zähle unter anderem die Anerkennung des Gegenübers, dem man zum Beispiel nicht einfach unterstellen könne, bloß Unsinn zu erzählen. Ebenso essenziell: die Frage der Tatsachen. Nur wenn ein Konsens über anzuerkennende Fakten besteht, ist demnach auch ein ein sinnvolles Gespräch möglich, konstruktiver Austausch.

Immer wieder ein Aufreger: das Gendern

Dass man aber grundsätzlich streiten und im Gespräch bleiben muss, darüber waren sich Friedman und Frick damals stets einig. Das muss bei den kommenden Abenden der Reihe nicht zwingend auch der Fall sein. „Sprechgewohnheiten: Was heißt denn Sprachsensibilität?“ ist an diesem Dienstag nun ein Abend überschrieben, der ein zuweilen sehr emotional behandeltes Thema hat: Soll man, muss man Gendern? Sollten bestimmte Begriffe nicht länger verwendet werden, wenn diese Minderheiten verletzen? Oder ist das schon ein Einknicken vor der „political correctness“?

„Sprechgewohnheiten: Was heißt denn Sprachsensibilität?“ – Petra Gerster und Ewa Trutkowski diskutieren, Stephanie Rohde moderiert: Di, 22.2., 19.30 Uhr, Hamburg, Literaturhaus (auch als Stream).

„Unsagbares: Die Kunst darf alles – oder nicht?“ Es diskutieren Ina Hartwig und Hanno Rauterberg, Moderation: Christoph Bungartz. Montag, 28.3., 19 Uhr, Hamburg, Körber-Forum. Eintritt frei, Anmeldung ab 14.3.

„Schlagworte: Ist die Meinungsfreiheit bedroht?“ mit Eva Menasse und Bernhard Pörksen, Moderation: Christop Bungartz. Mi, 27.4., 19.30 Uhr, Hamburg, Literaturhaus

Dabei trifft die Journalistin Petra Gerster, eine der ersten gendernden Mo­de­ra­to­r*in­nen im deutschen Fernsehen, auf Ewa Trutkowski. Die Bozener Linguistin lehnt aus sprachwissenschaftlicher Perspektive das Gendern ab, was sie zu einer beliebten Gewährsperson einschlägiger, zumeist konservativer Medien gemacht hat.

In einer Gesellschaft, die zunehmend pluralistisch geprägt ist und in der somit vielfältigere Diskussionen stattfinden, verändert sich auch die Wahrnehmung der Künste. Ist es etwa problematisch, Bilder mit heute als sexistisch oder rassistisch bewerteten Motiven noch zu zeigen? Behauptet die Kunst eine Autonomie gegenüber solchen gesellschaftlichen Diskursen? Über diese Fragen sprechen Ende März dann die Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) und der Zeit-Journalist Hanno Rauterberg.

Meinungsfreiheit ist ein hochaktuelles Thema in einer Zeit, in der vielfach von einer „Cancel Culture“ die Rede ist. Darf man bestimmte Dinge nicht mehr sagen, ohne gesellschaftlich geächtet zu werden? Und wenn ja, ist das wirklich eine neue Entwicklung oder gab es ähnliche Mechanismen schon vor der Etablierung des Begriffs?

In der Abschlussveranstaltung „Schlagworte: Ist die Meinungsfreiheit bedroht?“ werden am 27. April der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen und die Schriftstellerin Eva Menasse miteinander diskutieren. Letztere beschrieb in ihrem neusten Roman „Dunkelblum“ (2021) eindrucksvoll eine Gesellschaft, in der über vieles nicht gesprochen werden kann.

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