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Blockaden bringen Kanadas Premier in Not

Gegen die andauernden Trucker-Proteste gegen Coronamaßnahmen ruft Premier Justin Trudeau den Notstand aus. Das Militär will er nicht einsetzen, aber den Geldhahn zudrehen

Von Bernd Pickert

Mit der Verhängung des Nationalen Notstands hat Kanadas Premierminister Justin ­Trudeau am Montag ein entschlossenes Vorgehen gegen die seit Wochen andauernden Lkw-Blockaden gegen Coronamaßnahmen angekündigt. Es ist das erste Mal, dass eine Regierung das Notstandsgesetz anwendet, seit es 1988 verabschiedet wurde und damit die vorhergehende Möglichkeit der Ausrufung des Kriegsrechts in Friedenszeiten ablöste. Das Kriegsrecht hatte im übrigen Trudeaus Vater, der damalige Premierminister ­Pierre Elliott Trudeau, zuletzt 1970 verhängt und dann das Militär nach Montreal geschickt, um gegen eine gewalttätige Quebecer Separatistenbewegung vorzugehen.

Von Militäreinsätzen im Inland, die auch mit dem Notstandsgesetz möglich wären, ist bislang nicht die Rede. Man wolle zwar die örtlichen Behörden mit allem unterstützen, was notwendig sei, um Blockaden aufzulösen, die der Wirtschaft Schaden zufügten und die Lebensqualität der Menschen beeinträchtigten. Vor allem aber, sagte Trudeaus Vize und Finanzministerin Crystia Freeland am Montag, wolle man die Geldflüsse stoppen, die den Protest erst möglich machen. Spediteure warnte sie: „Wenn Ihr Lkw in diesen illegalen Blockaden benutzt wird, werden Ihre Firmenkonten eingefroren und die Versicherung Ihres Fahrzeuges wird gestrichen.“

Tatsächlich hatten einige Speditionen ihre Fahrer direkt zur Teilnahme an den Blockaden aufgefordert. In Medienberichten werden einige damit zitiert, dass sie von ihrem Arbeitgeber weiter bezahlt werden, andere bekommen sogar ein Hotelzimmer in Ottawa gestellt.

Auch gegen Spendenplattformen, die Geld für die Proteste zusammentragen, will die Regierung vorgehen. Nachdem zunächst bereits die Plattform GoFundMe die Spenden des Freedem Convoys von Ottawa eingefroren hatte, waren die Organisatoren auf GiveSendGo ausgewichen. Laut einem ebenfalls am Montag von Hackern veröffentlichten Leak sind auf dieser Plattform bislang rund 8 Millionen Dollar eingegangen – über 40 Prozent davon von Spen­de­r*in­nen aus den USA.

Bei Teilnehmern einer Blockade in Alberta wurden Waffen und Munition gefunden

Der Protest war ursprünglich gegen eine Regelung entstanden, nach der Lkw-Fahrer im grenzüberschreitenden Verkehr bei ihrer Rückkehr aus den USA einen Impfnachweis erbringen oder zwei Wochen in Quarantäne gehen müssen. Das betraf zwar nur eine kleine Minderheit – über 80 Prozent der kanadischen Fahrer sind geimpft –, aber die wurde sehr laut, und ihr „Freedom Convoy“ wurde organisatorisch von Leuten aus separatistischen, rassistischen und verschwörungsideologischen Kreisen in die Hand genommen.

Was nach rund 4.400 Kilometer Konvoi dann Ende Januar in Ottawa endete, war ein zeitweise mehrere Hundert Fahrzeuge umfassender Zug, der sich in der Hauptstadt im Parlamentsviertel und den angrenzenden Bezirken festsetzte. An­woh­ne­r*in­nen klagen über Dauerbeschallung durch die großen Hupsirenen der Trucks, aggressives Auftreten und Beschimpfungen an die Adresse jener, die sich etwa in Supermärkten an die Coronavorschriften halten. Der von Ottawas Bürgermeister schon vor zehn Tagen verhängte Notstand über die Stadt änderte daran zunächst wenig, und auch die polizeiliche Ankündigung, alle festzunehmen, die die Trucker weiterhin mit Benzin und anderen Waren unterstützen, wurde offenbar nicht konsequent umgesetzt.

Unterdessen unterstrich die Regierung, das Notstandsgesetz nur für kurze Zeit anwenden und auch währenddessen nicht die Grundrechte einschränken zu wollen. Friedlicher Protest etwa bliebe selbstverständlich möglich, das Versammlungsrecht werde nicht angetastet. Gleichzeitig warnte sie vor einer Radikalisierung der Proteste: Bei einer Blockade des Grenzübergangs in Coutts im Bundesstaat Alberta waren am Montag elf Teilnehmer festgenommen worden, nachdem bei ihnen mehrere Gewehre, Pistolen und Schutzkleidung sowie „eine große Menge Munition“ gefunden worden waren, teilte die Polizei mit.

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