Genossenschaften und Wohnungsbau: „Wir können 2.000 Wohnungen bauen“

Zum Bündnis für Neubau gehören auch Genossenschaften. Mit am Tisch sitzt Andreas Barz. Er sagt, die vergangene Legislatur waren „verlorene Jahre“.

In der Lynarstraße wurden Genossenschaftswohnungen gebaut

Hat den Holzbaupreis gewonnen: Der Neubau der Ostseeplatzgenossenschaft im Wedding Foto: Jürgen Ritter/Imago

taz: Herr Barz, Sie waren am 28. Januar bei der Auftaktsitzung des Bündnisses Wohnungsneubau und bezahlbare Mieten dabei. Wie verlief die Sitzung?

Andreas Barz: Ich habe eine gut gelaunte Regierende Bürgermeisterin gesehen, die zu Beginn mit allen ein kurzes Gespräch geführt hat.

Ein Signal also, dass es ihr ernst ist mit dem Thema?

Ja, es ist ihr ernst. Auch damit, am Ende zu einem Ergebnis zu kommen. Es war eine sehr konstruktive Atmosphäre und ein guter Auftakt.

Am 28. Januar fand die Auftaktsitzung des Bündnisses Wohnungsneubau und bezahlbare Mieten statt. Erstmals ist auch die private Wohnungswirtschaft vertreten. Dies hatte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) unter Hinweis auf die Erfahrungen in Hamburg gefordert. Auch die Genossenschaften sind dabei. Das nächste Treffen ist für den 21. Februar eingeplant. Beschlüsse sind bis Ende Juni vorgesehen.

Das Bündnis junge Genossenschaften vertritt vor allem die Neubaugenossenschaften, die nach der Wende entstanden sind. Dazu gehören die Bremer Höhe, das Studentendorf Schlachtensee, die Selbstbau eG oder die Diese eG. Dazu kommen die Traditionsgenossenschaften oder die in der DDR gegründeten Genossenschaften. Insgesamt gibt es in Berlin 190.000 Genossenschaftswohnungen. Das sind 12 Prozent des Bestandes. (wera)

Wie passt dazu, dass Grüne und Linke eine gemeinsame Erklärung verhindert haben?

Das Papier kam sehr kurzfristig, aber vielleicht ist das auch der Geschwindigkeit geschuldet, die die Regierende Bürgermeisterin einfordert. Ich würde das Ganze nicht so hoch hängen. Das mit dem Durchstechen hat die Regierende Bürgermeisterin übrigens nicht gut gefunden. Sie hat gesagt, wenn man zu Ergebnissen kommen will, braucht es Vertrauen.

Dann gehen wir mal ins Detail. 20.000 Wohnungen will Rot-Grün-Rot im Jahr bauen. Davon die Hälfte im bezahlbaren und gemeinwohlorientierten Sektor. Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sagen, sie könnten 7.000 im Jahr bauen. Also müssen noch 3.000 gemeinwohlorientierte Wohnungen dazukommen. Wie viel können Sie als Genossenschaften davon bauen?

In der letzten Legislatur haben wir immer gesagt: Wenn die Voraussetzungen stimmen, dann können es schon 2.000 Wohnungen im Jahr sein, die die Genossenschaften bauen. Wir als Bündnis junge Genossenschaften könnten da 500 Wohnungen beisteuern.

Welche Voraussetzungen müssten das sein?

Andreas Barz

Der Stadtplaner ist Vorstand der Studentendorf Schlachtensee eG und Co-Sprecher des Bündnisses junge Genossenschaften.

Wir müssen gute Grundstücke und eine auskömmliche Förderung bekommen. Wir sind gerade dabei, im Schumacher Quartier auf dem ehemaligen Flughafen Tegel einen Vorschlag einzubringen, der den Bau von 700 bis 800 Wohnungen durch Genossenschaften vorsieht.

Wie viele Wohnungen haben die Genossenschaften in den vergangenen Jahren gebaut?

Ein paar hundert Wohnungen. Das war verschwindend gering. Mir fällt da die Ostseeplatz eG mit ihrem Holzbau in der Lynarstraße ein. Dort sind knapp 100 Wohnungen, meistens Clusterwohnungen, entstanden. Aus dem Bündnis junge Genossenschaften hat die Blaue Insel eG auf der Schöneberger Linse angefangen. Das ist also zu vernachlässigen. Aber nicht, weil wir nicht wollten, sondern weil die Bedingungen nicht stimmten.

Es gab einen Genossenschaftsdialog mit dem Senat.

Das war kein Dialog, sondern ein Monolog. Zuerst von der ehemaligen Bausenatorin Lompscher, dann von ihrem Nachfolger Sebastian Scheel. Da haben wir vier Jahre lang über die sogenannte 20er-Liste diskutiert.

Also die 20 landeseigenen Grundstücke, die der Senat den Genossenschaften zur Verfügung stellen wollte. Von Ihrer Seite hieß es, die Grundstücke seien teilweise Schrott gewesen.

So weit würde ich nicht gehen. Aber sie waren viel zu klein, am Ende ist davon so gut wie nichts umgesetzt worden. Das waren verlorene Jahre.

Der Linken wurde immer wieder nachgesagt, dass sie zu sehr auf das Bauen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gesetzt hat. Erwarten Sie, dass es mit Frau Giffey und einem SPD-Bausenator besser wird?

Das hoffe ich sehr. Der Linkspartei war die Selbstbestimmung in den Genossenschaften nicht ganz geheuer. Da hoffe ich, dass es mit der SPD anders ist. Bei der Auftaktsitzung haben wir deshalb einen Dialog auf Augenhöhe eingefordert. Deshalb ist das Schumacher Quartier auch so wichtig. Bei der ersten Planung 2014 waren Genossenschaften nicht vorgesehen.

Haben sich Frau Giffey und Bausenator Andreas Geisel zu den Genossenschaften als Akteurinnen beim Neubau bekannt?

Ja. Wobei wir uns wünschen würden, dass die Bedingungen bei den Grundstücken besser wären. Da gibt es zum Beispiel Erbbauverträge, die nicht akzeptabel sind. Warum nicht landeseigene Grundstücke an Genossenschaften verkaufen?

Weil der Senat seine Liegenschaftspolitik zugunsten Erbpacht verändert hat. Das war ein großer Schritt nach vorne.

Aber Genossenschaften sind seit 150 Jahren Bestandshalter. Da muss keiner die Angst haben, dass sie ihre Grundstücke weiterverkaufen und damit spekulieren. Wir fordern ja nicht, dass der Senat Grundstücke an private Investoren verkauft. Wir aber sind sozialwohlorientiert.

Was heißt das genau?

Über 200.000 Berlinerinnen und Berliner sind in den Genossenschaften organisiert. Die Durchschnittsmiete der Traditionsgenossenschaften beträgt 5,31 Euro den Quadratmeter. Bei den Bündnisgenossenschaften und ihren Neubauten sind es etwa acht Euro.

Der zweite Punkt neben den Grundstücken ist die Neubauförderung. Wie muss die aussehen, damit sie ihre 2.000 Wohnungen als Genossenschaften bauen können? Der Senat hat ja bereits angekündigt, die Wohnungsbauförderung von 100 Millionen auf 500 Millionen zu erhöhen.

Bisher ist eine Bedingung an Bauherren, dass 30 Prozent der Wohnungen gemeinwohlorientiert sein müssen. Das sind in der Regel Wohnungen, die für 6,70 Euro vermietet werden. Der Rest kann dann hochpreisig vermietet oder als Eigentumswohnung verkauft werden. Bauherren sind also gezwungen querzufinanzieren, um die Gemeinwohlquote zu schaffen.

Das lehnen Sie ab.

Wir wollen eine Förderung, die es uns ermöglicht, Wohnungen in einem Preiskorridor von 6,70 bis zehn Euro anzubieten, ohne dabei hochpreisig zu werden oder Eigentumswohnungen zu bauen. Unser Auftrag ist es schließlich, unsere Mitglieder mit Wohnraum zu versorgen. Und dann stellt sich ja noch die Frage nach den sozialen Trägern oder Ateliers, die in so einem Neubau Platz finden sollen.

Private Investoren bauen bezahlbare Wohnungen bislang fast ausschließlich im Rahmen des Modells der kooperativen Baulandentwicklung. Um Baurecht zu bekommen, müssen sie 30 Prozent bezahlbar bauen und auch Kitas und Straßen finanzieren. Nun fordern Linke und Grüne mit dem Hinweis auf München, die Quote auf 50 bis 70 Prozent zu erhöhen.

Auch darüber muss im Bündnis noch einmal gesprochen werden. Wenn wir nicht querfinanzieren, und das wollen wir nicht, können wir auch keine Schule und Kita mitfinanzieren. Da müsste man sehen, ob man Genossenschaften nicht davon ausnehmen könnte.

Wie sollte das rechtlich gehen? Das war ja schon beim Mietendeckel nicht möglich, weshalb sich die Genossenschaften dagegen vehement gewehrt haben.

Andere Bundesländer oder Kommunen wie Tübingen schauen da nicht so starr ausschließlich auf die Wettbewerbskriterien.

Die Wohnungsbaugesellschaften bauen, anders als Genossenschaften oder Baugruppen, oft von der Stange.

Wenn ich mir die Wasserstadt Oberhavel anschaue, wird mir angst und bange. Das ist gruselig, da ist nichts gemischt. Ich möchte da nicht wohnen. Ich verstehe übrigens nicht, warum die städtischen Wohnungsbaugesellschaften da keinen Ehrgeiz entwickeln.

Wie soll also architektonische Vielfalt und Qualität gesichert werden? Die Architektenkammer war zur Auftaktsitzung nicht eingeladen. Wären Wettbewerbe, wie sie die Kammer immer fordert, ein geeignetes Mittel?

Ja. Wettbewerbe sind ein wichtiger Beitrag, um zu einer guten Architektur zu kommen. Auch im Schumacher Quartier.

Nun soll es im Bündnis drei Arbeitsgruppen geben, um über Neubau, Mieten und Baukultur zu reden. Aber am Ende wird alles in der Senatskanzlei gesteuert. Ist das gut oder schlecht, wenn die Fäden bei der Regierenden Bürgermeisterin zusammenlaufen?

Das ist nicht das schlechteste Modell, wenn jemand Verantwortung einfordert und sie dann auch wahrnimmt. Das war zuletzt nicht so.

Zuletzt hat der Mieterverein die Wohnungsmärkte in Hamburg und Berlin untersucht und kam zu dem Ergebnis, dass Neubau alleine die Mietpreissteigerung nicht dämpft. Wie wichtig ist die Mietenregulierung im Bestand?

Ich habe es so wahrgenommen, dass es nicht aus den Augen verloren wird. Das ist ja ein Auftrag, der sich auch aus dem erfolgreichen Volksentscheid ergibt. Das hat die ganze Runde so auch wahrgenommen.

Ein Vorschlag von Bausenator Geisel war ein Mietenmoratorium. Würden die Genossenschaften da mitgehen?

Wenn Sie auf unsere Mieten schauen, sehen Sie, dass wir das längst machen. Allerdings müssen wegen des Klimawandels Modernisierungen wirtschaftlich sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.