Mehr Zuversicht

Die Britin FKA twigs findet in ihrem neuem Album „Caprisongs“ zum Aufbruch aus der Düsternis

Von Dagmar Leischow

FKA twigs ist betrübt. Der Lockdown hat auch die britische Sängerin in die Isolation getrieben: Umso mehr vermisst sie ihre Freund:innen, sehnt sich danach, wieder in Clubs zu gehen und zu tanzen. Ausgelassen feiern, das macht auf der Insel, so scheint es, vor allem die Tory-Regierung um Boris Johnson in Downing Street. Während sich bei sehr vielen Britinnen und Briten wie auch bei der Sängerin FKA twigs in der Coronapandemie immer stärker ein unschönes Gefühl breitgemacht hat: Einsamkeit.

Statt in Selbstmitleid zu versinken, beschließt die 34-Jährige aber, gegenzusteuern: Sie komponiert neue Songs. Via FaceTime beginnt sie, mit dem spanischen Musiker El Guincho an ihrem Mixtape „Caprisongs“ zu feilen. Weitere Produzent:innen, darunter Arca, Cirkuit und der Australier Warren Ellis, springen ihr für die insgesamt 17 Songs bei.

So entsteht Musik, die erstaunlich leichtfüßig daherkommt. Wer sich noch an ihr Album „Magdalene“ (2019) erinnert, dem fällt auf, dass FKA twigs nun aus der Düsternis ausbricht. Tatsächlich gibt sie den Freuden der irdischen Existenz zumindest eine Chance. Das sagt sie auch gleich beim Auftaktsong „Ride the Dragon“: „Hey, I made you a mixtape / Because when I feel you I feel me/ And when I feel me it feels good.“

Danach weiß man mit Sicherheit: Tahliah Debrett Barnett alias FKA twigs macht eine Reise zu sich selbst. Dabei unterstützen sie Featuregäste wie die britische Rapperin Shygirl („Papi Bones“) und die britische Sängerin Jorja Smith („Darjeeling“).

Mit Spannung erwartet wurde auch ein Duett mit dem Kanadier The Weeknd, das FKA twigs vermutlich endgültig in den Popstarhimmel katapultieren sollte. Bisher konnten nämlich selbst schwärmerische Kritiken den Einstieg in die Top Ten der Charts nicht begünstigen. Also hat sich FKA twigs von ihrem Indie-Label getrennt und mit einem Majorlabel zusammengetan. So dürfte denn auch dank eines üppigeren Budgets The Weeknd ins Spiel gekommen sein.

Mit ihm erkundet FKA twigs in der Single „Tears in the Club“ neues Terrain: Sie schließt mit futuristischen Beats direkt an den Hyperpop-Trend an. Im Song geht es um Beziehungsstress: „Tears in the club / 'Cause your love’s got me fucked up“, singt FKA twigs. Vielleicht eine Abrechnung mit ihrem Ex Shia LaBeouf? Gegen den Schauspieler hat die Musikerin schwere Anschuldigungen erhoben. Sie behauptet, er habe sie während ihrer kurzen Beziehung psychisch, physisch und sexuell misshandelt. Vor einem Gericht in Los Angeles hat sie deshalb Klage eingereicht.

Für eine neue Partnerschaft scheint FKA twigs noch nicht wieder bereit, wohl aber für die Liebe – wenigstens für Selbstliebe. „I wanna be more confident“, grübelt die Sängerin in „Meta Angel“. Ihr ätherischer Sopran wird bei diesem Lied teilweise verzerrt, sanfte Beats kontrastieren mit Störgeräuschen.

Nach einem ähnlichen Muster ist „Which Way“ gestrickt, da heißt es: „I’m not a rockstar’s girl­friend, I’m the rockstar.“ Selbstbewusstsein spricht aus diesen Worten, offenbar hat sich FKA twigs vorgenommen, ihr Licht nicht länger unter den Scheffel zu stellen. Warum auch?

Allein wenn sie in „Minds of Men“ geschickt Neoklassik mit Beats vermischt und ihre Stimme dabei zwischen Kate Bush und Sprechgesang oszillieren lässt, kann man vor FKA twigs einfach nur den Hut ziehen. Gewiss ist ihre Musik trotz einiger Popelemente nach wie vor zu avantgardistisch, um die Mainstreamwelt ernsthaft zu erschüttern. Doch wer so viel drauf hat wie FKA twigs, dürfte in der Indieszene auch weiterhin ohne gigantische Verkaufszahlen für Furore sorgen.

FKA twigs: „Caprisongs“ (Young/Atlantic/Warner)