Geiselnahme in Texas: Wer ist Aafia Siddiqui?

Ein Geiselnehmer soll in der Synagoge in Colleyville die Freilassung der Pakistani gefordert haben. Damit ist er nicht der Erste.

Protest mit einem Bannert: Frau in Ketten und Kopftuch und der Botschaft:Free Aafia Siddiqui

UnterstützerInnen von Aafia Siddiqui fordern in Boston am 24. Oktober 2021 ihre Freilassung Foto: James Bartlett/imago

BERLIN taz | Für die einen ist sie eine Ikone des Jihad in den Klauen der US-Justiz, für die anderen einfach eine Terroristin: Aafia Siddiqui, 49, sitzt in einem forensischen Gefängnis in Fort Worth, Texas, wegen versuchten Mordes ein. Nur 37 Kilometer trennen die Haftanstalt und die Beth Israel Synagoge in Colleyville, in der am Samstag nach Medienberichten ihr Name fiel. Ein mittlerweile als Malik Faisal Akram identifizierter Mann nahm dort vier Geiseln und verlangte die Freilassung von Aafia Siddiqui.

Es ist nicht das erste Mal. Kurz vor seiner Ermordung durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) im August 2014 erhält die Familie des Journalisten James Folley eine E-Mail: Man habe der US-Regierung viele – ergebnislose – Chancen gegeben, Folleys Freilassung durch einen Gefangenenaustausch zu erwirken. Nur einen einzigen Namen nennen sie dafür als Beispiel: Aafia Sidiqqui.

Auch abseits von Kriegen und Konflikten engagieren sich Menschen für sie: Im Aafiamovement, bei Free Aafia Siddiqui oder der Aafia Foundation. Eine der Gruppen beschreibt sie so: „Eine unschuldige Pakistani mit einem Bachelor-Abschluss vom MIT“. Siddiqui ist Neurowissenschaftlerin, promoviert, Mutter dreier Kinder – und gläubige Aktivistin: In den 90ern sammelt sie in Chicago Spenden für Kriegsopfer in Bosnien, Afghanistan und Tschetschenien.

Im Mai 2002 wird sie zum ersten Mal von US-Behörden verhört: mit ihrem Mann hatte sie militärisch nutzbare Gegenstände gekauft. Für die Jagd, erklärten die beiden. Kurz darauf reisen sie zurück in ihre Heimat Pakistan, wo sie kurze Zeit später geschieden werden. Bald heiratet sie wieder: einen Neffen des 9/11-Vordenkers Khalid Sheikh Mohammed. Zwischendrin reist sie nochmals in die USA und eröffnet ein Postfach für Majid Khan, Ex-Al-Qaida, der bis heute in Guantanamo einsitzt.

Die „Graue Frau von Bagram“

Wieder zurück in Pakistan, verschwindet sie im März 2003. Die US-Regierung sagt, man habe Siddiqui erst im Juli 2008 in Afghanistan wieder gefasst. Der irische Guardian-Journalist Declan Walsh hat noch eine andere Version recherchiert: Siddiqui habe fünf Jahre im Militärgefängnis Bagram in Afghanistan gesessen. Yvonne Ridley, eine zum Islam konvertierte Aktivistin, sei sich sicher: Siddiqui war die „Graue Frau von Bagram“, bekannt für ihr verzweifeltes Heulen und Schreien.

Ab Juli 2008 vereint sich der Wahrscheinlichkeitsbaum wieder zu einer Version. Die afghanische Polizei greift sie auf und gibt an: Siddiqui habe Papiere dabei, die auf geplante Terrorangriffe hindeuteten. Vier US-Offizielle sollen sie befragen. Im Verhör nimmt Siddiqui eine herumliegende Waffe an sich, schießt auf die Soldaten, verfehlt ihr Ziel und wird im Gegenfeuer verletzt. Ganz klar ist die Sache im Prozess 2010 nicht: Zeugen widersprechen sich, am Tatort sollen keine Patronenhülsen gefunden worden sein.

Verurteilt wird sie trotzdem – und für manche damit zu einer Gallionsfigur für den Kampf gegen den unrechten Westen und seine Verbündeten. Damit ist sie auch für Nicht-Jihadisten eine interessante Projektionsfigur. Und für Jihadisten sowieso: Al-Qaida hatte 2010 offiziell dazu aufgerufen, Siddiqui zu befreien und sich an ihren Peinigern zu rächen.

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