Tatwaffe im Fall Walter Lübcke: Politischen Mord in Kauf genommen?
Elmar J. soll dem späteren Mörder Walter Lübckes die Tatwaffe beschafft haben. Seit Mittwoch steht er vor Gericht – und streitet fast alle Vorwürfe ab.
Lübcke war im Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses erschossen worden. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten aus Ostwestfalen vor, er habe Lübckes späterem Mörder Stephan Ernst die Tatwaffe samt Munition 2016 für rund 1.100 Euro verkauft. Er habe durch vorsätzliches und illegales Handeln fahrlässig zum Tod eines Menschen beigetragen, betonte die Vertreterin der Anklage, Julia Florczak. Dem Angeklagten sei die rassistische Gesinnung des späteren Mörders von Lübcke bewusst gewesen. Käufer und Verkäufer hätten zudem keine Waffenerlaubnis besessen. Elmar J. sei das auch klar gewesen.
Verteidiger Abouzeid sagte im Verfahren, sein Mandant habe keine scharfen Schusswaffen an Ernst verkauft. Polizeibeamtin Christina Wasch gab als Zeugin an, Elmar J. habe auch in der Vernehmung nur vom Verkauf von Dekowaffen oder Dolchen gesprochen. Der Angeklagte selbst äußerte sich dazu am Mittwoch nicht, machte nur einige Angaben zu seiner Person.
Rechtsextremist Ernst hatte Elmar J. beschuldigt, er habe ihm die Waffe mitsamt Munition für 1.100 Euro verkauft. Das schilderte auch Zeuge Dieter Killmer von der Generalbundesanwaltschaft – er hatte im Mordfall gegen Ernst ermittelt – aus Vernehmungen von Ernst im Jahr 2020. Ein befreundeter Mieter des Angeklagten gab im Gerichtssaal zu Protokoll, Elmar J. habe ihm gegenüber berichtet, eine Vier-Millimeter-Waffe an Ernst verkauft zu haben. Das entspricht nicht der Tatwaffe im Mordfall Lübcke.
Eine „gewisse Affinität zum Dritten Reich“
Abouzeid unterstrich dagegen, sein Mandant habe nach Bekanntwerden des Mordes an Lübcke zwar zuerst befürchtet, die Tat sei mit einem der „Objekte“ verübt worden, die er an Ernst verkauft habe. Das sei aber definitiv nicht der Fall gewesen.
Elmar J. räume lediglich einen Verstoß gegen das Waffengesetz ein. Sein Mandant bedauere, unerlaubt Schusswaffenmunition besessen zu haben, erklärte sein Verteidiger. Sein Mandant habe eine „gewisse Affinität zum Dritten Reich“ und auch NS-Devotionalien gesammelt. Er habe sich in finanziell prekärer Lage befunden und nach erfolgloser Tätigkeit als Tankstellenpächter und Videothek-Betreiber mit Trödel-Handel auf Flohmärkten über Wasser gehalten. Darüber habe er Ernst kennengelernt. Das „Kennverhältnis“ habe sich intensiviert, nachdem Ernst Interesse am Kauf der Hauses von Elmar J. gezeigt habe.
Der Angeklagte war nach rund einem halben Jahr im Januar 2020 aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte seinen Haftbefehl aufgehoben. Die Richter hatten Zweifel, ob er 2016 schon ahnen konnte, was für eine Tat Ernst mehr als zweieinhalb Jahre später begehen würde.
Der Generalbundesanwalt hatte damals hingegen argumentiert, dem mutmaßlichen Waffenhändler müsse bewusst gewesen sein, dass Ernst ein gewaltbereiter Rechtsextremist war. Elmar J. habe also zumindest in Kauf genommen, dass dieser aus politischen Motiven töten könnte. Das Verfahren war an die Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf abgegeben worden, danach erfolgte Anklage am Paderborner Landgericht.
Der Mörder selbst muss nicht aussagen
Der Rechtsextremist Ernst war Ende Januar 2021 vom Oberlandesgericht Frankfurt wegen Mordes an Lübcke zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Gegen das Urteil ist noch eine Revision anhängig. Lübcke war am 1. Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses mit einem Kopfschuss aus nächster Nähe getötet worden. Die Tat gilt als erster rechtsextremistischer Mord an einem Politiker in der Bundesrepublik. Lübcke hatte sich für die Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen.
Verteidiger Abouzeid betonte unmittelbar nach der Verhandlung, er gehe von einem Freispruch beim Vorwurf der fahrlässigen Tötung aus. Die Anklage stütze sich auf die Aussagen eines – noch nicht rechtskräftig verurteilten – Mörders. Und auf ein „mutmaßliches Geständnis gegenüber einem Freund“, bei dem es aber gar nicht um die Tatwaffe gegangen sei.
Im Falle des eingeräumten Verstoßes gegen das Waffengesetz sind laut Gericht bis zu sechs Monate Freiheitsstrafe möglich, bei fahrlässiger Tötung bis zu fünf Jahre.
Für den Prozess in Paderborn sind als weitere Termine zunächst der 7. und 19. Januar festgesetzt. An diesem Freitag sollte eigentlich Ernst als Zeuge befragt werden. Man habe ihn aber wieder ausgeladen, sagte der Vorsitzende Richter Eric Schülke. Dem Gericht sei angezeigt worden, dass Ernst wegen der laufenden Revision von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen wolle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!