Streichung des Paragrafen 219a: … und jetzt weg mit 218!
Die Regierung hat das Informationsverbot für Abtreibung gekippt. Gut so! Nur am umstrittenen Paragrafen 218 hält sie weiter fest.
![Eine Frau mit dunkler Kleidung hält einen Kleiderbügel "Nie wieder §219a" steht auf pappschildern, die an dem Bügel befestigt sind Eine Frau mit dunkler Kleidung hält einen Kleiderbügel "Nie wieder §219a" steht auf pappschildern, die an dem Bügel befestigt sind](https://taz.de/picture/5338048/14/protest-1.jpeg)
F reie Information ist ein hohes Gut. Dass das Informationsverbot für Schwangerschaftsabbrüche endlich fallen soll, muss gefeiert werden: Es ist der überfällige Erfolg einer Bewegung, die sich jahrelang vernetzte, die es schaffte, Tausende zu mobilisieren und die Verbündete in den Fraktionen der Linken, Grünen und FDP fand. Ein misogyner Strafrechtsparagraf von 1933, der es Ärzt:innen verbietet, über ihre Leistungen zu informieren, der Frauen Wissen vorenthält und sie als Wesen stigmatisiert, die vor sich selbst geschützt werden müssen, soll bald der Vergangenheit angehören. Endlich.
Trotzdem sind es ambivalente Gefühle, die mit der angekündigten Streichung des Paragrafen 219a einhergehen. Es war ernüchternd zu sehen, wie schwerfällig sich die parlamentarische Politik auf diesen Erfolg hinbewegte, – und wie oft es danach aussah, als bliebe der leidige Paragraf doch erhalten. Längst hätte es noch in Groko-Zeiten eine Mehrheit im Parlament gegeben, um den 219a zu kippen. Doch um des Koalitionsfriedens willen ließ die SPD mehrfach die Chance verstreichen, Ärzt:innen und Frauen zu ihrem Recht zu verhelfen. Frauenrechte, das war damit klar, sind für die Partei Verhandlungsmasse.
Schwerer noch wiegt, dass die Abschaffung des Paragrafen 219a Detail eines viel größeren Übels ist: Des Fortbestehens des Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch, der seit über 150 Jahren Schwangerschaftsabbrüche kriminalisiert. Es ist eine Besonderheit der deutschen Debatte, dass es in den letzten Jahren nicht, wie in vielen anderen Ländern, um die Frage ging, ob Schwangerschaftsabbrüche endlich legalisiert werden. Sondern schlicht darum, ob Ärzt:innen darüber informieren dürfen, dass und wie sie vorgenommen werden.
Seit Jahren rügen die Vereinten Nationen Deutschland für seine restriktive Politik in Sachen Abbrüche, für die Pflichtberatung und die Wartezeit von drei Tagen, die ungewollt Schwangere zwischen Beratung und Abbruch einhalten müssen. Mit der Ampelkoalition sollen Abbrüche nun immerhin in der Ausbildung von Ärzt:innen verankert werden. Zudem sollen sie als medizinische Grundversorgung anerkannt und kostenfrei werden. Das sind kleine, aber wichtige Schritte hin zu einer Entkriminalisierung.
Doch auch diese Erkenntnis bleibt: Obwohl die Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen in den Programmen von SPD und Grünen als Ziel formuliert ist, ist nur eine Kommission geplant, die diese Möglichkeit „prüfen“ soll. Priorität hat die Abschaffung des Paragrafen 218 auch für die Ampel offensichtlich nicht. Die aber muss sie haben: Um Frauen nicht länger unter Generalverdacht zu stellen, muss Paragraf 218 weg.
Freie Information ist ein hohes Gut. Das Recht auf den eigenen Körper aber gibt es noch immer nicht.
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