piwik no script img

Coronavirus in GroßbritannienOmikron überrennt England

London ruft den Katastrophenfall aus. Die Zahl der Covid-19-Patient:innen in den Krankenhäusern steigt wieder drastisch.

Trotz Omikron in der Vorweihnachtszeit rege besucht: Die Oxford Street in London Foto: Frank Augstein/ap

London taz/dpa/afp | Die hoch ansteckende Omikron­mutante ist in England zur dominierenden Variante des Coronavirus geworden. Omikron mache nun 60 Prozent aller Fälle im Land aus, sagte der britische Gesundheitsminister ­Sajid Javid am Sonntag im Sky-News-Interview. Die Variante hatte sich in den vergangenen Wochen rasant ausgebreitet: Allein am Samstag wurden im Vereinigten Königreich 10.059 neue Omikronfälle gemeldet – dreimal so viele wie am Tag zuvor. Auch in Schottland ist Omikron bereits dominant.

Großbritanniens Unterhaus hatte wegen der Gefahr durch die neue Virusvariante bereits am Dienstag zuvor neue Schutzmaßnahmen verabschiedet. Doch für ihren Vorschlag bekam die Regierung unter Premierminister Boris Johnson Gegenwind auch aus der eigenen konservativen Partei: Sie kam auf 100 Nein-Stimmen aus den eigenen Rängen. Seit Donnerstag rät der medizinische und wissenschaftliche Krisenstab, dass weitere Verschärfungen schon in den nächsten Tagen und noch vor Weihnachten notwendig sein könnten.

Medienberichten zufolge laufen Diskussionen über eine Art Wellenbrecher-Lockdown nach den Weihnachtstagen. Einige Modellierer warnten dem Guar­dian zufolge, ohne schärfere Maßnahmen drohten bis zum Jahreswechsel bis zu 2 Millionen Neuinfektionen täglich.

Schärfere Maßnahmen werden von vielen Konservativen aus ideologischen Gründen abgelehnt. So auch vom bisherigen britischen Brexit-Ministers David Frost, dessen Rücktritt am Wochenende bekannt wurde. „Das Vereinigte Königreich muss lernen, mit Covid zu leben“, forderte Frost in seinem Rücktrittsbrief an Premier Johnson. Er sei traurig, dass sich die Aufhebung der Covidbeschränkungen nicht wie versprochen als „unumkehrbar“ erwiesen hätten. „Ich hoffe, dass wir bald wieder auf den richtigen Weg kommen.“

Niedrige Impfrate in London

Doch entgegen dieser Auffassung hatte Londons Labour-Bürgermeister Sadiq Khan am Samstagnachmittag wegen der rapiden Ausbreitung von Omikron in der britischen Hauptstadt den Katastrophenfall ausgerufen. Khan verwies darauf, dass die Zahl der Covid-19-Patient:innen in Londons Krankenhäusern wieder massiv steigt. Die Anzahl der Fälle ist in London besonders hoch – die Impfraten sind aber im Vergleich zum Rest des Landes besonders niedrig.

Bereits Anfang Januar hatte die Stadt wegen Covid-19 den Katastrophenfall ausgelöst. Damals stand das Gesundheitssystem kurz vor dem Kollaps. Konkret bedeutet das, dass spezielle Notfallpläne in Kraft treten und sich die beteiligten Einheiten enger abstimmen.

Um die Ausbreitung der Omikronvariante in Deutschland zu verlangsamen, hat die Bundesregierung Großbritannien zum Virusvariantengebiet erklärt und damit die Einreise aus dem Land ab Montag drastisch beschränkt. Dies bedeutet, dass Einreisende 14 Tage in Coronaquarantäne müssen – auch wer geimpft ist oder genesen.

Gesundheitsminister Javid verschärfte den Ton gegenüber den rund 5 Millionen Ungeimpften – etwa 10 Prozent der Bevölkerung. „Sie müssen wirklich über den Schaden nachdenken, den sie der Gesellschaft antun, indem sie Krankenhausbetten belegen, die ansonsten für jemand anderen genutzt werden könnten, vielleicht jemanden mit einem Herzproblem oder einer Operation“, sagte der Minister bei Sky News.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Zur allgemeinen Info: Drittimpfung haben aktuell in Großbritannien 40,5 % erhalten. 70% haben 2 Impfungen erhalten. Siehe:



    www.theguardian.co...0d8f08c02cca9b7a45

    • @Uranus:

      Danke für die Info! Allerdings muss man einschränkend erwähnen, dass im UK der minderwertige Janssen-Impfstoff viel häufiger als in Deutschland verwendet wurde, und der höchstwirksame Moderna-Impfstoff seltener. Janssen + Biontech + Biontech ist gegen Omikron leider kein auch nur ansatzweise hinreichender Schutz; schlechter sind nur die sogenannten "Totimpfstoffe" (Wer Schwurbler mal richtig verwirren will, weist sie drauf hin, dass Novavax kein Totimpfstoff i.e.S ist, sondern aus nANoPaRTiKeLN uND gENmANiPuLiERtEm pROtEiN besteht, und dass die mRNA-Vakzine ebenso "Totimpfstoffe" i.w.S sind...).

      Der *reale* Impfschutz im UK und in Deutschland ist also auf die Bevölkerung betrachtet ungefähr identisch.

      In USA haben hingegen zumindest von den politisch eher links stehenden Menschen die allermeisten mindestens 1 Moderna-Impfung bekommen (soweit er für sie zugelassen ist), d.h. dort ist der nach reinen Impfdosen - ohne Rücksicht auf das verwendete Präparat - etwas unter den deutschen Werten liegende Impfschutz tatsächlich auf die Gesamtbevölkerung betrachtet ungefähr so gut wie in Deutschland oder sogar ein klein wenig besser (hängt davon ab, wie oft in DE und USA heterolog geimpft wurde; das weiß ich nicht).

      • @Ajuga:

        Gerne! Danke auch für die Ihrigen. :-) Falls Sie es bzw. den anderen Kommentar von mir nicht bereits lasen, in Dänemark sieht es mit den Impfungen so aus:



        76,9 % erhielten 2 Impfungen (auf dänisch fuldt vaccineret), 33,5 % erhielten 3 Impfungen (auf dänisch revaccinert).[2]



        [2] nyheder.tv2.dk/sam...accinetal-overblik

    • 0G
      05989 (Profil gelöscht)
      @Uranus:

      In England hatten sie auch viele homologe AZ-Impfungen, die sich als noch ein bisschen suboptimaler gegenüber Omikron zeigten als die mRNA-Vakzine...

      Das könnte ein wichtiger Grund sein, warum es die Insulaner jetzt so hart trifft..

      • @05989 (Profil gelöscht):

        Trifft das auch auf das Boostern zu - 3 mal Astrazeneca?

        • @Uranus:

          Hier das Ergebniss der neusten studien dazu: Als einsamer Spitzenreiter unter den Impfstoffen erwies sich dabei Moderna. Dr. Eric Feigl-Ding, Epidemiologe und Gesundheitsökonom aus den USA, schreibt dazu auf Twitter: „Moderna scheint laut der Studie am stärksten gegen Omikron zu sein, trotzdem ist der Abfall [der Antikörper im Blut, Anm. d. R.] noch groß. Pfizer ist der nächstbeste (…), Astrazeneca und Sinopharm schneiden schlecht ab. Johnson & Johnson und Sputnik gleich Null.“ Eine Kreuzimpfung aus Astrazeneca und Biontech/Pfizer erziele allerdings einen „halbwegs anständigen“ Schutz, so Feigl-Ding in einem weiteren Twitter-Post, in dem er sich auf eine Studie des Frankfurter Instituts für Medizinische Virologie bezieht.

          • @Obscuritas:

            Danke für den Hinweis!