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Demokratie in den USAGegen die Wand

Kommentar von Stefan Schaaf

US-Präsident Biden stößt mit seiner Politik auf harten Widerstand – bei den Themen Impfen und Trump-Ära.

Erste Schatten auf dem Präsidenten: Joe Biden in Cincinnati im Juli 2021 Foto: Susan Walsh/ap

E s war ein Flehen: Mindestens ein Dutzend Mal drängte US-Präsident Joe Biden am Dienstag vor TV-Kameras im Weißen Haus seine Zuschauer:innen, sich jetzt impfen oder boostern zu lassen. Er legte dar, wie er die Vereinigten Staaten gegen die neue Omikron-Variante des Coronavirus wappnen will: mit mehr Impf- und Testzentren, 500 Millionen kostenlosen Tests und dem Einsatz von ärztlichem Militärpersonal.

Aber er sagte auch: Nur ein Impfschutz garantiere das gewohnte Weihnachtsfest mit der Familie und Verwandten. Ungeimpfte hingegen – also ein Viertel der Bevölkerung – riskierten eine schwere Erkrankung oder den Tod.

Schon jetzt ist die Omikron-Variante in den USA für mehr als 70 Prozent der neuen Coronafälle verantwortlich und hat dafür gesorgt, dass vielerlei Beschränkungen den Alltag erschweren. Doch es sieht so aus, als ob Bidens Flehen bei denen, an die es gerichtet war, auf taube Ohren stößt.

Besonders in ländlichen, tiefgläubigen und konservativen Regionen ist die Impfskepsis hoch. Sie macht nicht einmal vor einem halt, der sie lange mitgeschürt hat: Donald Trump wurde jüngst ausgebuht, als er einräumte, er habe seinen Booster-Shot bereits erhalten.

Der Enthusiasmus für Biden schmilzt dahin

Und Bidens Überzeugungskraft bleibt Meilen hinter der seines Vorgängers zurück. Die Zustimmung zu seiner Amtsführung ist auf 43,5 Prozent gefallen, seit Mitte Oktober lehnen mehr als die Hälfte der Befragten ab, was Biden als Präsident so macht.

Er war mit ambitionierten Plänen angetreten, die USA sozialer, gerechter und klimafreundlicher umzubauen. Sie hätten viel Geld gekostet, doch galt als sicher, dass diese Investitionen sich auf lange Sicht gelohnt hätten. Nach und nach aber sind die großen Pläne immer weiter zusammengeschmolzen und mit ihnen der Enthusiasmus für den Präsidenten.

Inzwischen zeigt sich, dass seine ohnehin knappen Mehrheiten im Kongress nicht groß genug waren, um Widerstände zu überwinden. Im aktuellen Streit um sein Klimaschutz- und Sozialpaket im Umfang von 1,75 Billionen US-Dollar ist es ein einziger demokratischer Senator, der das Ganze gegen die Wand laufen lässt. Joe Manchin aus dem konservativen West Virginia, einem Staat mit weniger Ein­woh­ne­r:in­nen als Hamburg, verweigert Biden die entscheidende 50. Stimme im Senat.

Auf dem Spiel stehen nun auch die Klimaschutz-Zusagen der USA

Die Gründe, die er dafür nennt – vor allem zu hohe Kosten –, sind in den Medien bereits zerpflückt worden. Stundenlang redeten Manchins Se­nats­kol­le­g:in­nen hinter verschlossenen Türen auf ihn ein – vergebens. Das sorgt auch für Frust über Biden, der dadurch als nicht durchsetzungsfähig erscheint. Auf dem Spiel stehen nun auch die Klimaschutz-Zusagen der USA bei der COP26 in Glasgow.

Angriff auf die Demokratie

Manchin steht auch den Gesetzentwürfen kritisch gegenüber, die eine Aushöhlung des Wahlrechts verhindern sollen. In vielen republikanisch regierten Bundesstaaten wurden die Regeln so verschärft, dass gerade Minderheiten, die eher die Demokraten wählen, an der Stimmabgabe gehindert werden.

Es ist ein Angriff auf die Demokratie, Monate nach dem versuchten konstitutionellen Staatsstreich, durch den am 6. Januar die Bestätigung der Wahl Joe Bidens im Kongress verhindert werden sollte. Ein Untersuchungsausschuss hat inzwischen offengelegt, wie Trumps Leute dies mit einer waghalsigen Auslegung der Verfassung bewerkstelligen wollten. Eine Aufklärung durch eine Aussage vor dem Kongress verweigern sie nun und riskieren dafür sogar Beugehaft.

Robert Reich, Arbeitsminister unter Clinton und scharfsinniger wie scharfzüngiger Kolumnist, hat drei Feinde der amerikanischen Demokratie ausgemacht. Sie seien bereits dabei, sie zu zerstören: die große Lüge, die große Wut und das große Geld – also Trumps Beharren auf der Behauptung, die Wahl 2020 nicht verloren zu haben, dann die erbitterte, durch Talkshows und soziale Medien vorangetriebene Spaltung der Gesellschaft und schließlich der ungebremste Einfluss des Geldes, mit dem die Superreichen Wahlkämpfe finanzieren und letztlich ihre Privilegien verteidigen.

Dazu kommt jetzt, nach fast zwei Jahren der Pandemie, die große Müdigkeit, sich dem entgegenzustemmen. Es sieht nicht gut aus.

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9 Kommentare

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  • Dass Trump hier ein Bisschen umgedacht hat, erklärt sich natürlich dadurch, dass er selbst schwer erkrankte. Wie auch Bolsonaro und Johnson, also die Troika der ehemaligen Corona-Freunde. Die hatten natürlich das Glück, dass man mit Antikörper-Injektionen aus Blut-Plasma praktisch jeden heilen kann, aber eben nicht alle. Nichtsdestotrotz warte ich auf den Tag, an dem dieser Typ im orangenen Overall und Fußfesseln abgeführt wird.

    Der militärisch-industrielle Komplex hat man wieder den entscheidenden Hebel gefunden, jeglichen Fortschritt zu unterbinden. Da Manchin käuflich ist, sollte man die Fossilen einfach überbieten können. Schmutzig, aber notwendig.

    Andernfalls kann man die benötigten Anlagen ja dann in Deutschland kaufen. Oder auch nicht: Geschätzt 2025 ist eh Sense mit dem Imperium, und da seh ich dann wirklich schwarz für unsere amerikanischen Freunde. Europa sollte entsprechende Hilfsprogramme vorbereiten, um die größte Not zu lindern.

  • Mächtige Milliardäre, ein festgefahrenes Parteiensystem, das die Demokratie unterläuft, eine mäßig gebildete Bevölkerung und jede Menge Propaganda - ja, das Bild des schönen Amerikas bröckelt.

  • Joe Manchin ist der bestbezahlte Senator der USA. Er erhält die höchsten Zahlungen von Kohle-, Öl-, Gasindustrie aller US-Senatoren, was in seinem Bundesstaat von besonderer Bedeutung ist, obendrein steht er noch in der Top3 der Zahlungsempfänger von Pharma- und Tabakindustrie und ein paar anderen. Dadurch verdient er ein Mehrfaches dessen, was einem Senator zusteht. Wem entsprechend seine Loyalität gilt, hat er durch sein Votum hinreichend deutlich gemacht.

  • Der Enthusiasmus für Biden schmilzt dahin - ist leider so, wenn man eine Art von Himmel auf amerikanischen Erden verspricht und - vollkommen voraussehbar - fast nichts halten kann. Und wie auch? Die Rahmenbedingungen waren und sind nicht entsprechend. Ich habe schon überhaupt nüscht mehr gesagt, aber als dialektisch erzogener Ossi hat es mich immer nur gewundert, woher denn der positive Blickwinkel stammen mag. Gefehlt hat mir die unmittelbare Nobelpreis-Verleihung.

    • @Leningrad:

      In der Tat. Ich hatte auch gedacht, der Friedensnobelpreis wäre inzwischen eine obligatorische Mitgift für frisch gewählte demokratische Präsidenten der USA.

  • @TINUS

    Parallelen? Können Sie das erläutern?

  • …. das Packet hat nicht 1.75 Milliarden US-Dollar, sondern 1.75 Billionen, bzw. in USA spricht man dann von „Trillion“

  • Es gruselt aus Amerika und in 6 Monaten wird die Ampel es wohl auch aus Deutschland gruseln lassen...

    • @Tinus:

      Recht haben Sie.