Nachhaltigkeit bei Schokokonzern: Ein bittersüßes Vergnügen

Der weltgrößte Schokoladenproduzent Barry Callebaut will nachhaltig werden. Experten zweifeln an den Angaben des Schweizer Konzerns.

Scholadennikolaus ganz und kaputt.

Nikolaus soll nachhaltig werden Foto: imago

BERLIN taz | Der größte Schokoladenproduzent der Welt lobt sich selbst für die Verbesserungen seiner Produktionsbedingungen. Seit Beginn seines Nachhaltigkeitsprogramms vor fünf Jahren habe Barry Callebaut unter anderem über 200.000 Bauern aus der absoluten Armut befreien können, heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Bericht.

Das Schweizer Unternehmen hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2025 in seiner eigenen Lieferkette Kinderarbeit abzuschaffen und die gesamte Produktion nachhaltiger zu gestalten. Diese Verpflichtung ist die Firma im Rahmen ihres „Forever Chocolat“ Programms eingegangen, das seit 2016 läuft. Seitdem veröffentlicht es jedes Jahr einen Bericht zum Fortschritt der Kampagne. Barry Callebaut beliefert hauptsächlich Unternehmen wie Mondelez und Nestlé und gewerbliche Kunden wie zum Beispiel Konditoreien.

Arno Wielgoss vom Fair Band – Bundesverband für fairen Import und Vertrieb e.V. zweifelt an den guten Absichten des Schokoladenproduzenten. „Egal über was für Vorzeigeprojekte die großen Schokoladenproduzenten berichten, deren Einfluss steht nicht im Verhältnis zu der Menge, die auf herkömmliche Weise produziert wird“, so Wielgoss.

Ein Grundproblem an Berichten wie diesem sei, dass sie keine Angaben machten zur Gesamtmenge des importierten Kakaos oder der Anzahl der Bauern, die den Konzern beliefern. Damit stünden die absoluten Zahlen allein und ohne Kontext.

2,1 Millionen Kleinbauern

Wenn Barry Callebaut also zum Beispiel berichte, dass es 215.000 Bauern aus der „absoluten Armut“ geholt habe, dann müsse auch die Gesamtzahl der für Barry Callebaut arbeitenden Bauern betrachtet werden, erklärt Wielgoss. Das Unternehmen verkauft eigenen Angaben zufolge 2,1 Millionen Tonnen Kakaoprodukte pro Jahr. Ein Bauer samt Familie kann dem Agrarökonomen zufolge durchschnittlich circa eine Tonne Kakao pro Jahr verkaufen.

Demzufolge arbeiten also 2,1 Millionen Kleinbauern mit Familie für Barry Callebaut. Das Unternehmen hat also bisher gut zehn Prozent seiner Landwirte aus der absoluten Armut befreit. Genaue Angaben zu der Zahl seiner Kakaobauern möchte der Kakaokonzern nicht machen. Das sei unseriös, da man bei vielen Zulieferern gar nicht wissen könne, wie viele Menschen wirklich dahinterstecken, heißt es auf Anfrage der taz.

Ein weiterer Kritikpunkt von Wielgoss ist die Zertifizierung des Kakaos von Barry Callebaut. Das Unternehmen gibt an, dass 43 Prozent seiner Produkte nachhaltigen Kakao bzw. Schokolade enthalten. Zertifiziert wird das zum Beispiel von Cocoa Horizons. Die Stiftung, die dieses Zertifikat ausstellt, sei jedoch von Barry Callebaut selbst gegründet worden.

„Ich kann doch nicht annehmen, dass es sich um eine unabhängige Prüfung handelt, wenn die Stiftung von der Firma gegründet wurde, die dann auch überprüft wird. Das ist hanebüchen“, so Wielgoss. Wenn Unternehmen wirklich nachhaltiger werden wollten, dann sollten sie auf unabhängige Zertifikate zurückgreifen.

Ein Sprecher von Barry Callebaut hält auf Anfrage dagegen, dass die Stiftung unabhängig sei und zudem stark wachse. Unter anderem ließen Aldi und der US-amerikanische Schokoladenhersteller Hershey ihre Schokolade zumindest in Teilen bei Cocoa Horizons zertifizieren.

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