EU-Regeln für Tech-Konzerne: Mehr Wettbewerb für Amazon und Co.

Das EU-Parlament will die großen Internetfirmen stärker regulieren. Mit dem Digital Markets Act soll die Auswahl der Plattformen erleichtert werden.

Mitarbeiter mit orangen und pinkfarbenen Westen sortieren am Fließband Amazon-Pakete

Hier wird vor Weihnachten viel los sein: Verteilzentrum des Online-Händlers Amazon Foto: Jens Büttner/dpa

BERLIN taz | Das EU-Parlament ebnete am Mittwoch den Weg für eine stärkere Regulierung von großen Tech-Konzernen und Online­plattformen. Der sogenannte Digital Markets Act – kurz DMA – soll wettbewerbsschädliches Verhalten von Großunternehmen wie Amazon, Microsoft Google oder Apple unterbinden.

Der Alltag der EU-Bür­ger:in­nen ist längst durchdigitalisiert. Online wird eingekauft, werden Reisen gebucht, die Menschen informieren sich über digitale Kanäle. Allerdings passt die derzeitige EU-Gesetzgebung, die Vorgaben für Digitalunternehmen macht, nicht mehr zum heutigen Nutzungsverhalten. Einige wenige Unternehmen haben längst eine marktbeherrschende Stellung eingenommen – und sich damit einen enormen Vorteil gegenüber kleineren Konkurrenten verschafft.

Die EU bescheinigt großen Onlineplattformen wie Amazon oder Google eine sogenannte „Gatekeeper“-Funktion. Sie gelten als „Torhüter“ zwischen Nut­ze­r:in­nen und den Angeboten der Unternehmen. Als sehr groß gelten Plattformen mit mindestens 45 Millionen Nut­ze­r:in­nen in der EU. Der Ansatz des neuen EU-Regelwerks ist, genau dieses Ungleichgewicht zu beseitigen.

Berichterstatter des EU-Parlaments zum Digital Markets Act ist Andreas Schwab (CDU), binnenmarktpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion. Er setzt sich dafür ein, dass etwa die großen Digitalkonzerne nicht so leicht kleinere Konkurrenten aufkaufen können. Die EU-Kommission verspricht sich von diesem „Meilenstein“, wie die beiden EU-Kommissar:innen Margrethe Vestager und Thierry Breton den Digital Markets Act nannten, nicht nur mehr Verbraucherschutz.

Zugang zu Daten der „Gatekeeper“

Es geht ihnen auch um mehr Zugriff und Wettbewerb für Start-ups und kleinere Unternehmen, die digitale Anwendungen anbieten. So sollen diese Firmen Zugang zu bestimmten Daten der „Gatekeeper“ bekommen. Zudem werden die Auswahl verschiedener Plattformen sowie der Wechsel zwischen Dienstleistungen erleichtert.

Ende der Abhängigkeit von „Quasi-Monopolisten“ in Sicht

Ein zentrales Thema ist die Interoperabilität zwischen den Diensten. Für Ver­brau­che­r:in­nen geht es dabei um Wahlfreiheit. Beispielsweise, wenn sie verschiedene Messengerdienste nutzen, weil ihre Kontakte nicht übertragbar sind. Laut einer Erhebung der Verbraucherzentrale Bundesverband würden mehr als zwei Drittel der Befragten beispielsweise nicht den beliebten Messengerdienst Whatsapp verwenden, sondern lieber auf datenschutzfreundlichere Angebote wie Signal oder Threema ausweichen. Doch die Messengerdienste können derzeit nicht zusammenarbeiten, man kann also nicht einen Messenger für alle Anbieter verwenden.

„Die Platzhirsche unter den Messengerdiensten und sozialen Netzwerken müssen nach dem Willen des Parlaments die plattformübergreifende Nutzung zulassen“, erklärte Patrick Breyer, EU-Parlamentarier der Piratenpartei und Schattenberichterstatter im Rechtsausschuss, anlässlich der ersten Lesung des EU-Gesetzes über digitale Märkte im Europäischen Parlament. Er setzt mit dem neuen Gesetz auf ein Ende der Abhängigkeit von „Quasi-Monopolisten“ wie Facebook. Verstoßen die Tech-Giganten gegen die neuen Regelungen, drohen saftige Strafen, nämlich zehn Prozent des Jahresumsatzes. Auch Apple könnte beispielsweise dazu gezwungen werden, auf seinen iPhones Anwendungen der Konkurrenz zuzulassen.

Der Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments stimmte bereits am Dienstag für einen schärferen Gesetzesrahmen zu digitalen Diensten, den Digital Services Act, kurz DSA, den ­zweiten „Meilenstein“ zur Regulierung großer Onlinefirmen. Damit sollen Tech-Giganten wie Google oder Facebook dazu verpflichtet werden, stärker gegen Desinformationen und Hassnachrichten vorzu­gehen.

„Neues Grundgesetz des Internets“

Christel Schaldemose von den Sozialdemokraten im EU-Parlament ist federführend zuständig für den Entwurf. ­Dieses „neue Grundgesetz des Internets“ – wie die grüne Abgeordnete Alexandra Geese das Regelwerk für digitale Dienste bezeichnete – soll Meldeverfahren für mögliche verbotene Inhalte EU-weit harmonisieren.

Während der ersten Jahreshälfte 2022 sollen dann die Verhandlungen mit den EU-Staaten für das Digitale-Märkte-Gesetz aufgenommen werden. Auch über das Gesetz für digitale Dienste wird im Januar im EU-Parlament abgestimmt. Die Verhandlungen mit den EU-Staaten dürften im kommenden Jahr langwierig und kompliziert werden.

Auch die Digitalkonzerne dürften ihre Lobbytätigkeit auf europäischer Ebene in den kommenden Monaten deutlich ausweiten, um die Hürden, um ihre Marktmacht zu brechen, möglichst hoch zu halten.

2022 wird also ein entscheidendes Jahr werden, wie die Nutzung von Internetdiensten für Ver­brau­che­r:in­nen und Unternehmen künftig aussehen wird. Auf wettbewerbsrechtlicher Ebene gibt es seit Jahren Beschwerden von kleineren Händlern, die die Marktmacht insbesondere von Amazon scharf kritisieren. Bisher liefen diese Beschwerden ins Leere. Die EU hofft auf ein Inkrafttreten 2023.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.