theatertipps der woche: Geteilte Sprachen

Privatisierungsprozesse nach der Wende als Game-Theater; Rita Mazza und Anne Zander performativen zur aktiven Verdrängung der Gebärdensprache 1880.

Zwei in Weiß gekleidete Performer:innen stehen und sitzen an einem Fenster. Die Frau links hält eine Spiegelplatte in der Hand

Zur Geschichte der Gebärdensprache: Das Stück „Space 1880“ mit Rita Mazza und Anne Zander Foto: Mayra Wallraff

Das Theater kann auch eine Zeitmaschine sein, die Geschichte in die Gegenwart eines Theaterabends zurückholen und auf diese Weise wieder erfahrbar macht. Das macht sich in seinem neuen Stück das Game-Theater-Kollektiv „machina eX“ zunutze und reist in die 1990er Jahre: als die einstigen volkseigenen Betriebe der DDR von der Treuhandgesellschaft privatisiert wurden. Damals herrschte Goldgräberstimmung und die Geier kreisten gierig über ihrer Beute.

Hier setzt das Game-Theater „Layers of Life“ an, in dem das Publikum selbst zu Spie­le­r:in­nen wird. Denn damit sich die Geschichte erschließt, müssen sie zusammenarbeiten, müssen Spuren suchen und miteinander verbinden. Auf diesem Weg sollen die in jenen Jahren auseinandergerissenen Perspektiven wieder zusammengefügt werden.

Ziel des Spiels: Schicht für Schicht den widersprüchlichen Charakter der Hauptfigur freizulegen und sein zweifelhaftes Agieren beim Verscherbeln von einstigem DDR-Volkseigentum. Spielort ist eine 1909 erbaute ehemalige Margarine-Fabrik in der Lichtenberger Herzbergstrasse 55, die heute die Kunstfabrik HB55 beherbergt („Layers of Life“, ab 25.11., 17 Uhr. Termine und Slots: www.hebbel-am-ufer.de).

Pädagogische Zäsur

Ein Ausflug in die Geschichte liegt auch dem Abend „Space 1880“ zu Grunde. Damals, im Jahr 1880, trafen sich internationale Gehörlosen-Pädagog*innen zu einem Kongress in Mailand. Für die Gehörlosen-Community hatten seine Beschlüsse weitreichende Folgen: denn die dort tagenden – hörenden – Päd­ago­g*in­nen entschieden sich, die Lautsprache der Gebärdensprache vorzuziehen, die danach für über 100 Jahre aus dem europäischen Bildungswesen verbannt wurde. Viele Gehörlose haben das als Abwertung ihrer Kultur und Einschränkung ihrer Möglichkeiten betrachtet.

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Erst 2002 wurde in Deutschland die Gebärdensprache als gleichberechtigt mit der Laut- und Schriftsprache anerkannt. Der gleichberechtigte Zugang zu den Künsten in der Gesellschaft ist für die meisten tauben Menschen immer noch kaum möglich. Darauf möchten Rita Mazza und Anne Zander in ihrer visuellen Gebärdensprachperformance „Space 1880“ aufmerksam machen: „in einer eigens geschaffenen Bewegungssprache zwischen Gebärdensprachpoesie, Körpersprache, Tanz und abstrakten Improvisationen“, wie es in der Vorankündigung heißt (Sophiensaele: „Space 1880“, 26.bis 28.11., jeweils 19 Uhr. Infos: sophiensaele.com).

Die Geschichte von drei jungen Frauen, die auf unterschiedliche Weise ins Korsett der Konventionen der westdeutschen Adenauerjahre gezwängt sind und sich langsam daraus befreien, hat in drei Staffeln die ZDF-Serie „Ku'Damm 56“ erzählt. Schauplatz ist die Tanzschule Schöllack am Kurfürstendamm, ihre Chefin Caterina und ihre drei Töchter sind die Protagonistinnen. Und die Männer, die in ihrem Leben eine Rolle spielen.

Jetzt kommt der Stoff als Musical heraus. Für „Ku'Damm 56 – Das Musical“ hat sich die Drehbuchautorin Annette Hess mit Peter Plate und Ulf Leo Sommer, dem Songschreiberteam für Rosenstolz, sowie Max Raabe und Sarah Connor zusammengetan. Premiere ist am 28.11., 19:30 Uhr im Charlottenburger Theater des Westens (Infos: stage-entertainment.de).

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