Bernhard Clasen über die Ukraine-Diplomatie
: Demokratie schützt vor Krieg

Das Einzige, was man an den Verhandlungen zwischen Sergej Lawrow und Antony Blinken kritisieren kann, ist, dass sie viel zu selten stattfinden. Genauso wichtig wie diese Unterredungen in Stockholm wären auch Gespräche zwischen Wolodimir Selenski und Wladimir Putin. Dass es bisher nicht dazu gekommen ist, liegt vor allem daran, dass Putin zu dem Thema nur einfällt, er werde bei einem derartigen Treffen nicht über den Donbass und nicht über die Krim sprechen.

Doch Putins Äußerung ist ein Fortschritt. Was machen Kinder, wenn man ihnen sagt, sie dürfen nicht den Kühlschrank öffnen? Was macht ein Politiker, der hundertmal erklärt, dass er nicht zurücktreten will? Was wird Putin tun, nachdem er zum x-ten Mal gesagt hat, dass er mit Selenski nicht über die Krim und den Donbass reden will?

Krieg und Frieden sind aber auch ein Thema der Zivilgesellschaft. Der Gründer von Memorial, Andrej Sacharow, sagte gerne, dass Repressionen im Inneren zu Instabilität im Äußern führen. Im Umkehrschluss: Mehr Demokratie bedeutet weniger Krieg.

Es besteht durchaus ein Zusammenhang zwischen Meinungsfreiheit und Krieg. Wer in einer Internetsuchmaschine den Satz: „Gestern hat unsere Seite den Waffenstillstand gebrochen“, auf einem ukrainischen, russischen oder separatistischen Portal sucht, wird kaum fündig werden. Im Krieg stirbt die Pressefreiheit. Und mit steigender Eskalation zwischen Russland und der Ukraine nehmen auch die Repressionen in beiden Ländern zu. Die russische Regierung will die Menschenrechtsorganisation Memorial verbieten, knebelt und verfolgt unabhängige Medien, die ukrainische Regierung verbietet Fernsehkanäle.

Wir müssen uns auch einmischen, wenn man in der Ukraine bei rechtsradikaler Gewalt wegschaut. Jeder rechtsradikale und antisemitische Gewaltakt dort ist eine Steilvorlage für russische Propaganda. Gleichzeitig gilt auch festzuhalten: Eine Gleichstellung von Russland und der Ukraine ist nicht angebracht. Russland hat die Krim annektiert, und es hat, lange bevor die USA Waffen und Berater geschickt haben, Bewaffnete in die Ukraine geschickt.