Rot-Grün-Rot in der Hauptstadt: Berliner Selbstbeschwörung
Die alte Landesregierung wird die neue sein. Viel ist von einem Aufbruch die Rede – doch neue Ideen zur Lösung der Wohnungsnot bietet sie nicht.
A ufbruch, die kommenden fünf Jahre sollen unbedingt ein Aufbruch sein. Als die ChefverhandlerInnen der Berliner SPD, Grünen und Linken am Montag 152 Seiten druckfrischen Koalitionsvertrag präsentierten, bemühten alle Beteiligten dieses Bild: Nach vorne soll es gehen, mit Schwung. Eine bezahlbare Mietenpolitik wird „Schlüsselaufgabe“. Die Verkehrswende, sprich: der Bus, soll auch in den Außenbezirken ankommen – und zwar mindestens alle 10 Minuten. Und natürlich wird Berlin angesichts erwarteter Hitzesommer grüner als je zuvor: Mehr Bänke, mehr Brunnen, mehr Bäume soll es geben.
Die neue rot-grün-rote Regierung in Berlin weiß, wie zentral dieses Aufbruchsnarrativ für sie sein wird: Denn immerhin kommen hier drei Partner zusammen, die bereits in der vergangenen Legislatur miteinander mussten – und zum Schluss in vielen Bereichen nicht mehr gut miteinander konnten. Die designierte Regierungschefin Franziska Giffey von der SPD hatte bei den Sondierungen wenig Zweifel daran gelassen, dass die FDP und nicht die Linke, die im zentralen Feld der Wohnungspolitik völlig anders tickt, ihr Wunschpartner gewesen wäre.
Insofern hatte der ostentativ gut gelaunte „Aufbruch“, die Erzählung von gemeinsam gesungenen Geburtstagsständchen während der Verhandlungen, etwas von Selbstbeschwörung.
Wie lange der Aufbruchsgeist die „Zukunftshauptstadt“, wie es im Titel des Koalitionsvertrags heißt, tatsächlich trägt, wird man sehen. Durchaus aufmerksam wird man auch in anderen Großstädten mit angespanntem Mietenmarkt darauf schauen, welchen Umgang Berlin mit dem Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnkonzerne findet.
Wohnungspolitik: Nicht viel mehr als Neubau
Giffey, deren SPD das Ressort für Stadtentwicklung übernehmen wird, fand am Montag erstaunlich wenige Worte für die selbst definierte „Schlüsselaufgabe“. Der Neubau soll es richten, ein Bündnis für mehr sozialen Wohnraum – viel mehr Ideen sind da nicht. Das Enteignungsvolksbegehren wird zur Prüfung in einen Arbeitskreis abgeschoben.
Die Verkehrswende für die Außenbezirke wiederum muss erst einmal finanziert werden. Das Parken in der Innenstadt wird deshalb empfindlich teurer werden. Und ab 2024 sollen Touristen ein „Gästeticket“ bezahlen müssen. Ob das kommt? Die Tourismusverbände dürften da noch ein Wörtchen mitreden wollen.
„Berlin wird immer anders bleiben: sozialer, klimafreundlicher, solidarischer sein als andere Städte“, sagte Linken-Landeschefin Katina Schubert. Die erste Hälfte stimmt schon mal. Die zweite Hälfte, das hat Rot-Grün-Rot jetzt in der Hand.
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