: RKI-Chef Wieler warnt: „Es ist fünf nach zwölf“
Wegen der steigenden Zahl von Corona-Infektionen fordert das Robert-Koch-Institut erneut Kontaktreduzierungen. Die Gastronomie ist in Sorge
Von Barbara Dribbusch
Angesichts der bedrohlich steigenden Infektionszahlen durch Covid-19 rücken Alltagsbeschränkungen und häufige Testungen auch für Geimpfte und Genesene in den Blick. Der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, sagte am Freitag, es sei „fünf nach zwölf“. Die vierte Welle rolle „mit voller Wucht“. Das RKI rät in seinem jüngsten Wochenbericht „dringend“ dazu, „alle nicht notwendigen Kontakte zu reduzieren“. Falls dies nicht möglich sei, solle man „unabhängig vom Impf- oder Genesenenstatus vorher einen Test machen“.
Das RKI hatte Freitag früh 48.640 Neuinfektionen an einem Tag und eine Sieben-Tage Inzidenz von 263,7 gemeldet. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. Wieler rechnete vor, dass von 50.000 Neuinfizierten etwa 3.000 ins Krankenhaus kommen und 200 Personen an Corona versterben würden.
Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) forderte, bei öffentlichen Veranstaltungen eine Regel „2G plus“ einzuführen. Dies bedeutet, dass zu diesen Veranstaltungen nur Geimpfte und Genesene zugelassen werden, die zusätzlich einen aktuellen negativen Coronatest vorweisen müssen. Von nächster Woche an sollen wieder Gratistests samt Bescheinigung für alle möglich sein, sagte Spahn.
Wieler räumte ein, dass die „Impfeffektivität“ schwächer sei als vor einigen Monaten, was auch an der hochansteckenden Deltavariante liege. So seien nur etwa 60 Prozent der Geimpften vor einer Infektion geschützt, aber 90 Prozent vor einem Krankenhausaufenhalt. Bisher sind in Deutschland 67,4 Prozent der Bevölkerung doppelt geimpft. Spahn erklärte, auch Geimpfte und Genesene seien ein Teil der Infektionsentwicklung.
Als Gegenmaßnahmen plädierte Spahn für Auffrischungsimpfungen für alle nach sechs Monaten, für schärfere Kontrollen beim Zugang zu Veranstaltungen und für umfangreiche Testungen an Personal und Besucher:innen in Pflegeheimen.
Spahn rügte das geplante Infektionsschutzgesetz der voraussichtlichen Regierungspartner SPD, FDP und Grüne, das keine flächendeckenden Schließungen von Schulen oder Geschäften mehr vorsieht, aber umfangreiche Abstands-, Masken- und Hygienevorschriften. Es brauche „mehr Maßnahmen“ sagte Spahn. Die bisherige Rechtsgrundlage der Coronamaßnahmen läuft am 25. November aus. In der nächsten Woche tagt die Ministerpräsidentenrunde der Länder zum Thema Corona.
Die verschärften Pandemiemaßnahmen treffen jetzt schon die Veranstaltungswirtschaft hart, teilte der Branchenverband FWD mit. Laut Umfrage unter fast 1.000 Unternehmen mussten über 77 Prozent in den vergangenen fünf Tagen viele Stornierungen hinnehmen, darunter Messen, Weihnachtsmärkte, Betriebsweihnachtsfeiern. Es müsse sichergestellt sein, dass „unsere Betriebe dauerhaft geöffnet bleiben“, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Ingrid Hartges, bei RTL. Einen erneuten Lockdown würde die Branche mental und emotional nicht überleben.
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