: „Enteignen ist das letzte Mittel“
Im taz Salon geht es um Mieten in Hamburg
Paulina Domke 25, beendet gerade ihren Master in Stadtplanung und ist Aktivistin bei „Hamburg enteignet“.
Interview Katharina Schipkowski
taz: Frau Domke, warum ist Enteignen in Ihren Augen der richtige Weg, den Wohnungsmarkt in den Griff zu kriegen?
Paulina Domke: Wir stehen in Hamburg vor der Problematik, dass der Wohnungsmarkt überall extrem angespannt ist und die Mieten immer weiter steigen. Der Grund dafür ist die private, profitorientierte Wohnungswirtschaft. Enteignen ist das letzte Mittel, wirksam dagegen vorzugehen. Alle vorherigen Maßnahmen haben nicht ausgereicht.
Wie soll die Enteignung der Wohnungskonzerne vonstattengehen?
Wir planen einen Volksentscheid für die Vergesellschaftung eines Teils des privaten Wohnungsbestands nach Paragraph 15 des Grundgesetzes.
Darin heißt es: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung gegen Entschädigung in Gemeineigentum überführt werden.“
Genau, wir wollen private Bestände in eine Anstalt des öffentlichen Rechts überführen, um sie wieder bezahlbar für die Mieter*innen zu machen.
Es laufen in Hamburg schon zwei Volksinitiativen zum Thema Mieten. Ist eine Dritte nicht kontraproduktiv?
Nein, die Initiativen ergänzen sich. „Keine Profite mit Boden und Miete“ beschäftigt sich mit dem Erhalt städtischer Flächen und den Wohnungen, die dort gebaut werden. Uns geht es hingegen um den privaten Bestand.
Wenn Sie wie in Berlin Eigentümer*innen mit Besitz ab 3.000 Wohnungen enteignen, würde das auch Genossenschaften und Kommunale treffen.
Nein, die sind explizit ausgenommen. Es geht uns um die profitorientierte Privatwirtschaft. Ob wir die Grenze von 3.000 Wohnungen aus Berlin übernehmen, oder sie niedriger ansetzen, müssen wir noch festlegen. Der Wohnungsmarkt in Hamburg ist kleinteiliger strukturiert.
taz Salon „Zähmen oder enteignen?“ mit Paulina Domke, Martina Koeppen (SPD), Martina Memmler (Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen), Bernd Vetter („Keine Profite mit Boden und Miete“), 19.30 Uhr, Haus 73, Schulterblatt 73. Anmeldung unter anmeldung@taz-nord.de. Es gilt 2G+
Nach der Enteignung gingen die Wohnungen nach Ihrem Plan also an eine Anstalt öffentlichen Rechts – wie würde die aussehen?
Denkbar wäre, dass dort Vertreter*innen der Politik und Mieter*innen zusammensäßen und den Bestand demokratisch verwalten. Die Anstalt würde wie ein öffentliches Wohnungsbaunternehmen agieren, nur eben nicht profitorientiert.
Dann müssten Instandhaltungen aus dem Landeshaushalt bezahlt werden. Die Mieter*innen wären politischen Stimmungen ausgeliefert.
Nicht notwendigerweise. Die Initiator*innen des Berliner Volksbegehrens haben errechnet, dass man Ankauf und Instandhaltung auch mit günstigen Mieten finanzieren könnte. Im Moment ist es hingegen so, dass bei Vonovia pro Wohnung jeden Monat 150 Euro der Miete an Aktionär*innen gehen. Ein solches Verhalten ist auf dem Wohnungsmarkt nicht vertretbar.
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