CO2-arme Technologie: Patente Lösung

Die herrschende Patentlogik setzt klimaschädliche Anreize. Mit einem neuen globalen Fonds könnten alle Staaten in CO2-arme Technologie investieren.

Kohlekraftwerk im indischen Gujarat Foto: Amit Dave/reuters

Egal welchen Farbanstrich die neue Koalition erhalten wird, Klimapolitik wird eines ihrer Hauptanliegen sein. Und selbst wenn der eine Koalitionspartner dabei mehr auf Technologien setzen wird als der andere, werden die Klimaziele nicht ohne die nötigen Innovationen eingehalten werden können. In Deutschland nicht. Auf der Welt nicht.

Während Deutschland sich wie der Rest der Europäischen Union erhofft, dass Unternehmen durch Verteilung eines schrumpfenden Kontingents an CO2-Zertifikaten „einen Anreiz erhalten, in klimafreundliche Techniken zu investieren“, wird ein gewaltiges Problem übersehen: die Patentlogik. Insbesondere global ist dies problematisch. Und was hinsichtlich der Klimapolitik ein globales Problem ist, ist letztlich auch ein deutsches.

Nehmen wir zum Beispiel indische Kohlekraftwerke. Als bereits sogenannte superkritische Technologien auf dem Markt waren, benutzte Indien noch immer die ineffizienteren subkritischen. Als dann der Standard auf die noch saubereren ultra-superkritischen Technologien angehoben wurde, hinkte Indien mit den superkritischen hinterher. Dies bedeutete nicht nur eine weniger effektive Produktion, sondern bis zu 30 Prozent mehr CO2-Ausstoß.

Der Grund dafür war, dass die weiterentwickelteren Grenztechnologien mit Tausenden Patenten geschützt waren. Im Jahr 2009 zahlte etwa der chinesische Kohlekraftwerksbauer Harbin Electric 1,5 Millionen Dollar an Lizenzgebühren für jeden Kessel, der mit der patentierten Technologie von Mitsui Babcock hergestellt wurde.

Statt diese Ausgaben mit der dadurch ermöglichten effektiveren Produktion gegenzurechnen, entscheiden sich viele Anlagenbetreiber wie in Indien für ältere Technologien. Dies führte zu zusätzlichen 1,5 Millionen Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr und Anlage – in etwa so viel, wie eine Million Pendler in NRW mit täglich 40 Kilometer Durchschnittsstrecke pro Jahr erzeugen.

Die Problematik liegt also darin, dass die 20-Jahre-Patente zwar Anreize zu Forschung geben, die Verbreitung der darauf basierenden Technologien aber durch gewaltige Aufpreise behindern. Deshalb kommen die besten grünen Technologien besonders dort nicht zum Einsatz, wo die meisten Wachstumsemissionen in den nächsten Jahren erzeugt werden: in Entwicklungsländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen. Die größten Anstrengungen zur Emissionsreduzierung werden dagegen in Ländern mit hohem Einkommen unternommen. Länder, in denen die Steuern und Marktpreise für Emissionen am höchsten sind. Wie lässt sich dieser Widerspruch auflösen?

Alle Patentrechte abzuschaffen, könnte insofern nachteilig sein, als damit auch die Forschungsanreize verschwänden. Vielmehr gilt es, die Anreize so zu setzen, dass neue grüne Technologien auch die ärmsten Gesellschaften erreichen und damit insgesamt zu mehr CO2-Einsparung, vielleicht sogar -Umwandlung führen. Ein Weg, dies zu erreichen, sind sogenannte Impact Funds, die beispielsweise auch im medizinischen Bereich vorgeschlagen werden.

Firmen, die ihre Technologien in einem entsprechenden Green Impact Fund for Technology (GIFT) anmelden, würden sich verpflichten, kostenlose Lizenzen für Herstellung, Verkauf und Nutzung anzubieten. Oder die Technologie zu (vielleicht auch unter) den variablen Kosten zu verkaufen.

Im Gegenzug würde man die Firmen an den jährlichen, für sechs Jahre geplanten Ausschüttungen des Funds beteiligen. Jede Jahresausschüttung würde unter den gemeldeten Erfindungen proportional zur mit ihnen jeweils im Vorjahr erzielten Emissionsminderung aufgeteilt.

Da Anreize hier auf Leistung beruhen, würden sich die Hersteller darauf konzentrieren, dass ihre Erfindungen tatsächlich umsetzbar sind und die höchstmögliche Wirkung erzielen. Zusätzlich würde man sich nicht nur um die Verbreitung der Technologien bemühen, sondern durch Schulungen dafür sorgen, dass die Erfindungen optimal genutzt werden. Mehr noch: Solange die Steigerung des Wirkungsgewinns die Kosten übersteigt, würde man diese Technologien notfalls sogar kostenlos installieren und/oder subventionieren.

Allerdings müsste man wohl zwischen zwei Modellen unterscheiden. Ein finanziell unaufwendigeres Modell, das lediglich Entwicklungs- und Schwellenländer in die GIFT-Zone miteinbezieht. Und ein anderes, das auch die Länder des Globalen Nordens einschließt, die die jährlichen Ausschüttungen des GIFT finanzieren.

Es gilt, Anreize so zu setzen, dass neue grüne Technologien auch die ärmsten Gesellschaften erreichen

Die Herausforderung bei Modell 2 besteht darin, dass es weitaus teurer wäre – aber auch sinnvoller, da es äußerst wichtig ist, auch in den reicheren Ländern das Kostenverhältnis zwischen grünen und grauen Technologien zu verbessern.

Da wäre allerdings noch die Frage der Finanzierung: Die geschätzte jährliche Fördersumme bemisst sich auf mindestens 2 Milliarden Euro. Eine Quelle wäre der Grüne Klimafonds der Vereinten Nationen, dem ein dreistelliger Milliardenbetrag (US-Dollar) für die Klimafinanzierung zur Verfügung stehen soll. Für die Jahre 2020 bis 2023 beteiligt sich Deutschland mit insgesamt 1,5 Milliarden Euro. Auch die Einnahmen der CO2-Steuern könnten für eine Finanzierung herangezogen werden. Dabei würden die beitragenden wohlhabenden Länder proportional zu ihren Nationaleinkommen belastet.

Es gilt also in Bezug auf den GIFT und andere Impact Funds noch einiges zu durchdenken. Das sollte aber nicht davon abschrecken, neue Wege zu suchen. Denn die momentane Patentlogik erschwert es uns zusätzlich, das Übereinkommen von Paris einzuhalten. Ein Impact Fund könnte das ändern. Nicht nur im Globalen Süden, sondern auch in Deutschland und anderen wohlhabenden Staaten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist deutsch-­indischer Abstammung, studierte Philosophie und inter­nationalen Journalismus an der London und West­minster University. Er beendet derzeit seine Promotion in interkultureller Philosophie und ist für Medien wie die „Times of India“ und das „SZ-Magazin“ tätig. Er konzentriert sich neben der interkulturellen Philosophie auf Fragen der globalen Gerechtigkeit.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.