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Datentracking bei WissenschaftsverlagenWarnung vor den Wissensspionen

Forscher wehren sich gegen Daten­tracking von Verlagen. Sie sehen die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr und fordern klare Regeln.

Auch die Wissenschaft ist vor Datenspionen nicht gefeit Foto: Cole/getty

Berlin taz | Den Verbrauchern sind sie im Internet schon länger auf der Spur: die Datenspäher, die unbemerkt die Web-Wege der User verfolgen, um daraus deren Konsumvorlieben zu filtern, auf die dann passgenaue, individualisierte Onlinewerbung zugeschaltet wird. Jetzt hat dieses „Datentracking“ auch die Wissenschaft erreicht. Wissenschaftliche Fachverlage, auf deren Servern die Forscher nach Literatur recherchieren, verfolgen diese Suchbewegungen, um aktuelle und künftige Forschungstrends herauszufinden.

Die Wissenschaftsorganisationen, wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), sind alarmiert und warnen vor „Datenmissbrauch“ und „Wissenschaftsspionage“. Internationale Verlagskonzerne entwickelten sich, so heißt es in einer aktuellen Stellungnahme der DFG, „immer stärker zu Datenanalysefirmen, die oftmals auch ohne Zustimmung oder ausreichende Information der Betroffenen Daten dazu sammeln, von wem Zugriffe auf Publikationen erfolgen“. Die Folgen seien unabsehbar.

„Diese digitalen Nutzungsspuren können durch Verbindung mit anderen Daten zum Profiling führen und im Rahmen von Weitergaben an Behörden gegen Forschende eingesetzt werden“, befürchtet die DFG.

Dies müsse durch die „Anpassung von einschlägigen Gesetzen“ insbesondere auf europäischer Ebene ausgeschlossen werden, so die Forderung, die auch an die Forschungspolitik der künftigen Bundesregierung gerichtet wird. „Die informationelle Selbstbestimmung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern muss im digitalen Raum oberste Priorität haben“, betont die DFG.

Verletzung der Wissenschaftsfreiheit

Wenn datenbasierte Forschung in Onlinequellen und -datenbanken sowie in Portalen von Wissenschaftsverlagen überwacht und ausgewertet wird, dann öffne dies „der Kommerzialisierung der Wissenschaft Tür und Tor“, warnten jetzt auch die Regensburger Verwaltungsrichterin Kristin Benedikt und der Kölner Rechtsprofessor Rolf Schwartmann in der FAZ.

Denn die Verlage nutzen die Informationen nicht allein zur An­passung ihrer kommerziellen Angebote. Vielmehr sei „über Datenauswertungen auch eine Steuerung der Forschung und Wissenschaft im Sinne der Interessen privater Unternehmen möglich“, urteilen die Rechts­experten. Eine flagrante Verletzung der Wissenschaftsfreiheit.

Mit dem Datentracking erreicht das angespannte Verhältnis zwischen den kommerziellen Wissenschaftsverlagen und der Forschungswelt eine neue Dimension. Jahrelang nutzten die Verlage die aus öffentlichen Geldern entstandenen Forschungsaufsätze dazu, sie in Fachjournalen zu formatieren und diese den Hochschulbibliotheken wieder für teures Geld zu verkaufen. Nun entdecken sie die Forscher-Daten als neue Erlösquelle.

Trackingdaten werden verkauft

In einem Informationspapier hat der Ausschuss für Wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme (AWBI) der Deutschen Forschungsgemeinschaft die „Transformation von Wissenschaftsverlagen hin zu Data Analytics Businesses“ näher untersucht und auf die Konsequenzen für die Wissenschaft und deren Einrichtungen verwiesen.

So werden Onlineleser des Wissenschaftsmagazin Nature von mehr als 70 Instrumenten nachverfolgt. Konkret erwähnt wird der Fall des Unternehmens „LexisNexis“, eines internationalen Anbieters von Informationslösungen und Tochterunternehmens der RELX Group, zu der auch Elsevier gehört, seinerseits der weltgrößte Verlag für Wissenschaftspublizistik. Danach habe LexisNexis einen Vertrag unterzeichnet, durch den für 16,8 Millionen US-Dollar persönliche Forscher-Daten an ICE, die ­amerikanische Behörde für Immigration und Customs Enforcement, übergeben werden sollen.

Mit seinem Papier will der DFG-Ausschuss eine Diskussion anstoßen, die „die Praxis des Trackings, dessen Rechtmäßigkeit, Maßnahmen zur Einhaltung des Datenschutzes und Konsequenzen der Aggregation von Nutzungsdaten“ thematisiert, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Es brauche jetzt „klare rechtliche Regulierungen, mit hoher Transparenz und unter Mitbestimmung der Wissenschaft“, so die DFG-Forscher.

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8 Kommentare

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  • Apropo Wissenschaft und Daten: Vor einigen Jahren hatte ich Gelegenheit, mir mal die EDV-Abteilung beim DESY in Hamburg-Bahrenfeld anzuschauen. Das DESY ist eines der Top-Forschungseinrichtungen weltweit mit u.a. einer bislang einzigartigen Röntgenlaser-Quelle, dem XFEL (X-Ray Free-Electron Laser) Dort fallen jeden Tag Unmengen von Daten - zumeist Messdaten - an, die in einer riesigen Serverfarm gespeichert werden. Auf meine Frage, wie man sich denn vor Datenklau schütze, bekam ich überrascht die Antwort - gar nicht. Die Forschung wird mit öffentlichen Mitteln gefördert und deshalb kann auch jeder jederzeit auf die Daten zugreifen, der dies möchte.



    Man hat dort selbst ein Programm entwickelt zur Verwaltung derart großer Datenmengen. Auch dieses steht allen Interessenten frei zur Verfügung, die damit arbeiten möchten.

    www.xfel.eu/index_ger.html

  • VPN hilft nicht. Wer recherchiert, muss sich anmelden. Das Datentracking, um das es hier geht, hat daher nichts mit Cookies, Fingerprint und IP-Adressen zu tun. Aber die Daten sind nichtssagend: Suchbegriffe, Lesestoff, Lesezeit. Unter Umständen vielleicht noch die Rekonstruktion, welche Quellen überprüft wurden. Das ist zu wenig, um so laut Alarm zu schlagen. Ich sehe wirklich keine Probleme.

  • Vielleicht sollte jemand den Wissenschaftler*innen mal VPN empfehlen...

    • @DocT:

      „Darüber hinaus ist es wichtig, dass Sie einen VPN-Anbieter auswählen, dem Sie vertrauen können.“



      (siehe: Kaspersky-Link weiter unten)

      Wer seinem ISP nicht vertrauen kann, wird einem VPN-Anbieter auch nicht vertrauen können. Eigentlich müssten die ISP-Anschlüsse doch schon längst standardmäßig immer verschlüsselt sein. Die einzigen, die allerdings so ein Projekt derzeit irgendwie vorantreiben, sind kriminelle Hacker, die diese Schwachstellen nutzen, um Firmen etc. dann erpressen zu können.

    • @DocT:

      Da, wie oben angegeben, Verlage mit der Einsicht in die Inhalte Geld verdienen, loggen sich die meisten Wissenschaftler über den Uni-Account in den Verlag ein. Die Uni zahlt für das Abo, privat kostet ein Artikel für 24h schon mal 50 Euro.

      Damit kann der Verlag natürlich mindestens die Uni verfolgen. Wenn sie die Daten nehmen um daraus zukünftige Bedarfe zu ermitteln, na gut.



      Aber die Verbindung zu ICE ist stark besorgniserregend. Damit wird schnell die Wissenschaftsfreiheit eingeschränkt.

    • @DocT:

      www.kaspersky.de/r...ions/what-is-a-vpn



      &



      Was waren das noch für Zeiten! Analügt



      “Eine ganz ganz schlechte Dissertation!“



      => Ein mir gut bekannter Prof. aus nicht sonderlich betuchtem Hause logierte während seiner DissZeit in einer der Juristen-Familien mit Familienanschluß



      & Däh =>



      Ein derer Sprösslinge entblödete sich nicht - das Thema - wie manche der Überlegungen zu klauen & mit ähnlichem Titel daraus eine Diss zusammenzuklempnern!



      Zum Glück verhob er sich volle Lotte an dem hochkomplexen Thema!



      & Däh=> immer wenn der Name fiel =>



      “Eine ganz ganz schlechte Dissertation!“



      Wie aus der Pistole geschossen! - 🥳 -



      Zu recht & hück => Standardwerk - 🧐 -

      • @Lowandorder:

        Nette Geschichte.



        Aber Abkupfern und Fälschen kommt nicht nur in besseren, falls das für Juristen zutrifft, Familien vor, sondern ist schlicht eine Charakterfrage.



        Und gilt auch nicht als Entschuldigung zum Ausgleich bei sozial benachteiligten Personen.

        • @fly:

          Naja - Ideeenklau in dieser Form is ja doch noch was mit mehr Schlagobers!



          Noch dazu zu einem der! Grundprobleme des Verfassungsrechts.