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TV-Triell der Kanzler-KandidatInnenNoch mal ein Blick auf die Uhren …

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Recht machen konnten es die ModeratorInnen des TV-Triells niemandem. Schuld daran waren auch selbst geweckte Erwartungen.

Selten blieb Zeit für mehr als eine Nachfrage Foto: Christophe Gateau/dpa

M aybrit Illner und Oliver Köhr, davon muss man ausgehen, hatten am Montag einen Scheißtag. Die Nachbereitung des Sonntagabends war sicherlich kein Vergnügen, viel positives Feedback gab es für die Moderation des TV-Triells schließlich nicht. Zu schlecht abgestimmt, verkehrte Fragen und, vor allem, völlig falsche Gewichtung der Themen: Den einen waren es zu viele Blöcke in zu kurzer Zeit. Den anderen haben zen­trale Politikfelder gefehlt. Recht haben paradoxerweise beide Seiten, obwohl beides offensichtlich nicht zusammengeht.

Auf der einen Seite stimmt es ja: So schnell, wie die beiden durch die Themen geritten sind, blieb selten Zeit für mehr als eine Nachfrage. Der Part mit der Vermögenssteuer war so ein Fall, der zeigt, was durch das Tempo verlorenging: Die Grünen möchten deren Wiedereinführung prüfen, sagte Annalena Baerbock – eine relativ unverbindliche Aussage, steht doch im Wahlprogramm der Partei konkreter, dass die Vermögenssteuer im Kampf gegen die Ungleichheit ihr „bevorzugtes Instrument“ sei. Rückt die Kandidatin vorsichtig davon ab? Wird sie die Forderung in Sondierungen als erstes aufgeben? Oder will Baerbock nur vor dem Wahltag nicht mit höheren Steuern in Verbindung gebracht werden?

Die Nachfrage hätte sich gelohnt, stattdessen waren darauf aber erst Laschet und dann Scholz dran, bevor schon wieder der nächste Uhrenvergleich anstand. Der CDU-Kandidat lag mit 26 Minuten und 25 Sekunden vorne. Nicht in allen Themenblöcken lief es so, aber doch in einigen, was zur Folge hatte, dass die Kan­di­da­t*in­nen zu oft mit ihren bevorzugten Schlagworten davonkamen. Die Einordnung gerade für das fachpolitisch weniger versierte Publikum fehlte.

Auf der anderen Seite aber, auch das stimmt ja, flöge mit jeder Nachfrage mehr ein anderes Thema potentiell aus der Sendung. Der Klimablock war viel zu schnell vorbei, aber waren nicht auch die unmittelbar darauf folgenden Fragen nach steigenden Mieten wichtig? Wenn Kinder angeblich unsere Zukunft sind, warum war die Familienpolitik nicht ausführlicher Thema? Und haben nicht auch die ganzen Ex­per­t*in­nen für Außenpolitik recht, die auf Twitter schreiben, dass es nach Isolationismus riecht, wenn Fragen nach internationalen Krisen in so einer Sendung fehlen?

Nicht zu machen

Damit nähern wir uns aber langsam schon dem eigentlichen Problem: Selbst wenn die ModeratorInnen ein wenig Kokolores eingespart hätten (die Fragen nach den Koalitionen zum Beispiel, die an anderen Stellen schon ausgiebigst gestellt und beantwortet wurden), wäre bei Weitem nicht so viel Sendezeit freigeworden, dass alle Themen von Relevanz Platz gefunden hätten. Illner und Köhr, wie vor zwei Wochen schon ihre KollegInnen auf RTL, haben mit ihrem Ritt durch die Themen die Erwartung geweckt, dass in neunzig Minuten alles Wichtige vorkommen muss. Das ist in neunzig Minuten aber nicht zu machen. Die Produktenttäuschung war so quasi unausweichlich.

Für den nächsten Wahlkampf könnten die Sender daraus lernen. Ihre TV-Debatten, mit wie vielen Teil­neh­me­r*in­nen auch immer, könnten sie von vornherein thematisch einschränken. Nicht dreimal über möglichst alles reden, sondern je ein Mal ausführlich über ganz zentrale Felder. Schon im Juni gab es einen – damals wenig beachtete – „ARD-Talk“ mit den Dreien ausschließlich zu außenpolitischen Themen, die jetzt viele Ex­per­t*in­nen vermisst haben. Die Sendung hatte Tiefgang, das Konzept hat funktioniert. Warum nicht mehrere solcher Themenrunden, eine zum Klima, eine zu Wirtschafts- und Verteilungsfragen, vielleicht noch eine zu Corona und ganz zum Schluss eine gemischte Debatte zu allem, was bis dahin zu kurz kam?

Vielleicht wäre so ein Konzept sogar schon etwas für den nächsten Sonntag. Dann sind Pro7, Sat1 und Kabel1 mit dem letzten Triell dieses Wahlkampfs dran. Eine undankbare Aufgabe: Wer erwartet da noch etwas Neues, wer schaltet da noch ein, zumal gleichzeitig im Ersten der neue Tatort mit Ballauf und Schenk läuft? Punkten können die Sender höchstens, wenn sie zum Abschluss etwas Überraschendes wagen.

Neunzig Minuten nur zur Klimakrise, dem potenziell beherrschenden Thema der nächsten Jahrzehnte, wäre so eine Überraschung. Genügend Aspekte gäbe es abzufragen. Und gleichzeitig böte so ein Konzept gerade Armin Laschet und Olaf Scholz eine Chance: Ist ihnen das Thema tatsächlich so wichtig, wie sie neuerdings behaupten? Mit ihrer Teilnahme an solch einer Sendung könnten sie es beweisen. Ohne ihre Zustimmung käme ein neues Konzept schließlich nicht zustande.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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7 Kommentare

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  • Falsches Format. Drei Duelle mit jeweils zwei der Kandidaten wären besser gewesen und hätten Meinungsunterschiede besser hervorgebracht.

  • Entweder die Themen angekündigt in einzelnen Sendungen ausführlich beackern. Wobei der häufig recht enge Wahlkampf-Terminplan der Kandidaten womöglich ein paar Schwierigkeiten aufwerfen könnte.

    Oder aber das einfachere Mittel wählen: Mehr Sendezeit vorsehen! Muss wirklich der Nachrichtenplatz 21.45 Uhr unverrückbar sein? Bei Fussballspielen zeigen sich ARD und ZDF ja auch recht flexibel.

    Zeit kann man auch einsparen durch eine Zeitleiste mit auf den Uhren der einzelnen Kandidaten angezeigten Redezeiten, die sie aktuell bislang verbraucht haben. Wieviel die Kandidaten insgesamt verplaudern oder sinnvoll nutzen wollen/können ist ohnehin festgesetzt.

    Bei störenden Zwischenrufen, die den Kandidaten am Reden hindern sollen, würde ich damit beenden, dass die Uhr des Redekandidaten gestoppt wird und die anderen Uhren weiterlaufen, was somit die Restredezeit der anderen verkürzt. Ich glaube, das diszipliniert.

    Alternativ könnten auch die Mikrophone der Zwischenrufer abgeschaltet werden, sodass der Kandidat zu Ende sprechen könnte.



    Das würde die Zwischenrufer mit den markantesten Stimmen rasch verstummen lassen.

    Mir schmeckt auch nicht alles, was andere sagen. Aber noch weniger gefällt mir, gar nichts mehr zu verstehen, wenn alle durcheinander reden, nur um eine unangenehme Meinung untergehen zu lassen in allgemeinem Getöse. Da weiß man ja nie, was einem möglicherweise ebenfalls nicht gefallen würde.

    Auf jeden Fall werde ich mir nun, nach dem gestrigen Fernsehauftritt der vier kleineren Parteien die Wiederholung der vorgestellten Wahlkampfprogramme und -themen in den privaten Sendern - womöglich durch Werbepausen aufgelockert - nicht mehr ansehen.

    Genug ist genug!

    • @noevil:

      So Sorry, jetzt habe ich das Gendern vergessen! Bitte um Nachsicht!

  • Es würde helfen, den Kandidaten nicht schon vorher die Fragen auszugeben.



    Lieber fürs nächste Jahr, 5-6 Termine festlegen, wo dann genauer gefragt werden kann, länger ein Thema durchgenommen werden kann, aber vorher nicht bekannt ist welche Themen auftauchen. Dann würde das auch mal Sinn machen.



    Aktuell ist es wie immer, Worthülsen, Scheindebatten, aber wirklich neues kommt da nirgends. Politik ade.

    Und wenn man dann noch den 4er-Gipfel von gestern nimmt, warum muss dort auch eine CSU dabei sein? Die CSU gehört zur CDU, also hat sie wenn dann dort mitzulaufen oder gar nicht.



    Einfach nur einen weiteren Gipfel zu machen, und die CSU reinnehmen, riecht irgendwie danach das dieser Gipfel nicht "konservativ" genug wäre.

    Aber eventuell will man ja CDU/CSU stützen, damit die 2 Termine haben um ihre konservativen Nicht-Politik-Themen preiszugeben...

    • @Daniel Drogan:

      " Die CSU gehört zur CDU, also hat sie wenn dann dort mitzulaufen oder gar nicht."

      Im Prinzip stimme ich Ihnen zu. Denn Merkel wäre nicht 2005 Bundeskanzlerin geworden, wenn die beiden Parteien nicht zu einer verschmolzen wären, wie Schröder bekanntlich monierte, auch wenn ich ihm nicht nachtrauere.

      Aber es ist ja hinlänglich bekannt, dass zwischen beide C-Parteien immer dann kein Blatt Papier passt, wenn es ihnen opportun erscheint, während sie sich ganz flexibel als völlig unabhängige Schwesterparteien präsentieren, wenn es ihnen mehr Raum für ihre Zwecke verschafft.

      Aber was soll's? Bis heute hat ihnen niemand wirksam Einhalt geboten!

      Und so können sie sich, ganz wie sie wollen, mal kleiner mal größer schummeln und überall mitmischen. So wie sie auch aus der SPD eine kumpanhaft mit der Linken werkelnde, den Kommunisten wie der SED nahe Partei machen wollen, nur um die eigene Blockflötenparteien- Vergangenheit zu verschleiern und sich dennoch mit Nestwärmegefühlen geschickt in den Köpfen und Herzen der Wähler in Ostdeutschland einzunisten. Aber wer sich erinnert, wird es dennoch wissen.

      Der Wähler hat ganz sicher kein so kurzes Gedächtnis, wie ihm viele Politiker gerne nachsagen möchten.



      Und dass beide Parteien sich auch hier geschickt getrennt haben, nur um wieder einmal überall und auf allen Feldern mitmischen zu können, ist sicher diesmal sehr vielen Zusehern aufgefallen.

      "Am Abend werfen selbst Zwerge lange Schatten!"

    • @Daniel Drogan:

      Das von Ihnen favorisierte Format begünstigt ganz bestimmte Eigenschaften und Charaktere. Jemand wie Frau Merkel wäre mit dieser Art von Duellen sicher nie Kanzlerin gegen Schröder geworden. Ich bin nicht sicher ob wir jetzt wirklich noch mehr Selbstdarsteller in der Politik brauchen.

  • Es ist doch ganz einfach: in 90 Minuten das Thema beackern, das die Wähler ganz oben auf die Agenda gesetzt haben, dann für den nächsten Termin das zweitwichtigste und dann das dritte Thema … dann kommen zwar auch nicht alle sonst noch wichtigen Punkte zum Zuge, das Ganze hätte aber zumindest mehr Tiefgang.



    Mir schwant nur, dass ein solches 90-Minuten-Format den geneigten Zuschauer dann auch sehr schnell langweilen wird … so viel „Tiefe“ im Wahlkampf muss dann doch wohl nicht sein.