Lobbyismus und Korruption: Die Spur der Einflüsterer

Lobbycontrol legt eine Bilanz der GroKo vor. In der wimmelt es von Skandalen. Immerhin gibt es jetzt ein Lobbyregister, doch der Biss fehlt.

Die Deutsche Flagge auf dem Reichstag in der Reflektion in einer Pfütze

Lobbycontrol beklagt beispiellose Skandale und gravierende Missstände Foto: Emmanuele Contini/imago

BERLIN taz | In der zu Ende gehenden Regierungsperiode gab es etliche Skandale um fragwürdige Einflüsse auf die Politik. So stellte der Lobbyist und ehemalige CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg Kontakte für den Betrugskonzern Wirecard bis ins Bundeskanzleramt her. Ein rundes Dutzend Parlamentarier von CDU und CSU vermittelte teils im eigenen finanziellen Interesse den Kauf von Coronamasken unter anderem durch Behörden.

Weitere Unionsabgeordnete gerieten in den Verdacht, Lobbyismus für den Staat Aserbaidschan zu betreiben. Und die mecklenburgische CDU-Nachwuchshoffnung Phi­lipp Amthor setzte sich bei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) für die US-Firma Augustus Intelligence ein – später erhielt er dort Aktienoptionen und einen Posten als Direktor. Das alles hat die Organisation Lobbycontrol in ihrem Report 2021, einer Bilanz der Legislaturperiode, zusammengestellt und mit ihren Schlussfolgerungen versehen.

Diese fallen teilweise durchaus positiv aus. „Klare Fortschritte“ sieht Lobbycontrol-Campaigner Timo Lange im Umgang mit Lobbyismus, vor allem weil Union und SPD als Reaktion auf die Skandale das Lobbyregister eingeführt haben. „Transparenz und Integrität in der Politik wurden dadurch gestärkt“, betonte Geschäftsführerin Imke Dierßen. Wobei es noch „Lücken“ gäbe, durch die gerade Wirtschaftsinteressen unbemerkt Einfluss nehmen könnten.

Wenn Verbände, Initiativen oder auch Unternehmen ihre Interessen an die Politik herantragen, kann das der demokratischen Willensbildung dienen. Problematisch wird es allerdings, wenn einflussreiche Leute politische Entscheidungen mit Geld beeinflussen und über privilegierte oder verdeckte Zugänge verfügen. Trotz der Skandale und Beschwerden legte Dierßen jedoch Wert auf die Feststellung: „Die große Mehrheit der Po­li­ti­ke­r:in­nen ist integer.“

Die „Abkühlphase“ bleibt kurz

Die Hürden für schädlichen Lobbyismus wurden 2021 deutlich erhöht. Das Lobbyregister gilt für Bundestag und Bundesregierung: Wer dort außerparlamentarische Interessen vertritt, muss sich in das öffentlich einsehbare Register eintragen, die Auftraggeber und Budgets nennen. Erfolgsabhängige Honorare sind nun explizit verboten. Sanktionen stehen ebenfalls im Gesetz. Lobbycontrol beklagt allerdings „zu weitgehende Ausnahmen für Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und Kirchen“.

Außerdem kritisiert die Organisation, dass die Dokumentation der „Lobby-Fußspur“ fehlt. Soll heißen: Anhand des Registers lässt sich nicht nachvollziehen, wie externe Interessen den Inhalt von Gesetzen beeinflussen. Auch müssen Regierungsmitglieder bisher nicht offenlegen, mit welchen Lobbyisten sie sich treffen.

Laut Medienrecherchen konferierte beispielsweise CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer während dieser Legislaturperiode 80 Mal mit Ver­tre­te­r:in­nen der Autoindustrie, aber nur ein Mal mit den Umweltverbänden. Derart unausgewogener Zugang kann Nachteile etwa in der Klimapolitik verursachen.

Fortschritte brachte diese Legislaturperiode nach Ansicht von Lobbycontrol auch bei den verschärften Regeln für Bundestagsabgeordnete. Diesen ist bezahlte Lobbytätigkeit künftig ausdrücklich verboten. Vortragshonorare mit Bezug zum Mandat sind ebenfalls untersagt. Nebeneinkünfte müssen sie genau angeben, Firmenbeteiligungen ab 5 Prozent und Aktienoptionen offenlegen. Zudem wurde ein höheres Strafmaß für Abgeordnetenbestechung vereinbart.

Unerfüllt blieben laut Lobbycontrol bisher dagegen Forderungen, die „Abkühlphase“ beispielsweise für Mi­nis­te­r:in­nen zu verlängern. Bisher müssen sie bis zu zwölf, manchmal auch 18 Monate warten, bis sie von ihrem politischen Amt etwa in eine Wirtschaftstätigkeit wechseln und ihre Kontakte dort zu Geld machen dürfen.

Auch eine grundsätzliche Reform der Parteienfinanzierung stehe noch aus. Die Organisation forderte eine Begrenzung der Spenden auf 50.000 Euro pro Sponsor, Partei und Jahr. Mit über drei Millionen Euro hätten die Grünen die Union bei den „Großspenden“ 2021 übrigens erstmals überholt, errechnete die Organisation.

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